Tatsächlich Liebe in Notting Hill: Roman (German Edition)
getan hatte, und schaute mir das zerknitterte Foto an.
Darauf war ein Paar zu sehen, das ein Neugeborenes auf dem Arm hielt. Der Mann auf dem Bild war definitiv mein Vater. Ich war das Baby, und die Frau, in deren Armen ich lag, war meine Mutter.
Der Hauptgrund, warum ich mir dessen so sicher war, stand schwarz auf weiß auf der Rückseite.
Tom,
wir und unsere kleine Scarlett im März 1984. Jetzt sind wir endlich eine Familie.
Für immer in Liebe,
Rosie
9
A m nächsten Morgen standen wir in aller Herrgottsfrühe auf.
Die Hochzeit fand um elf Uhr statt – es blieb uns also nicht viel Zeit, um uns fertig zu machen, bis wir uns auf den Weg zur Kirche auf der anderen Seite der Stadt machen mussten. Während ich auf Sean wartete, betrachtete ich mich in dem großen Spiegel, der in meinem Hotelzimmer hing.
Ich hatte nicht so recht gewusst, was mich erwarten würde, als ich gestern Morgen Oscars Geschäft betreten hatte – doch ich war angenehm überrascht worden.
Oscars winzige Boutique bot modische Kleidung in Hülle und Fülle. Bei ihm war vom Chic der Sechzigerjahre und dem Retro-Look der Siebziger bis hin zu topmodischer Designerware alles zu finden. Jedes Teil war ein Einzelstück – und ganz und gar »à la Oscar«. Das Einzige, was die Kleidungsstücke gemeinsam hatten, war die Tatsache, dass sie sich auf den überladenen Kleiderstangen und in der Auslage um die besten Plätze rangelten.
Ich hatte keine Ahnung, wo ich suchen sollte, doch Oscar stellte mir sofort nach meiner Ankunft drei hervorragend passende Outfits zusammen. Nacheinander probierte ich diese an und war überrascht, wie gut ich in allen dreien aussah.
Schließlich einigten wir uns auf ein schlicht geschnittenes rotes Kaschmirkleid. Es hatte einen hohen Rollkragen, kurze Ärmel und saß wie angegossen.
»Als wäre es für dich gemacht, meine Liebe!«, hatte Oscar geflötet, als er mich in diesem Kleid erblickt hatte. »Jetzt brauchen wir nur noch ein paar passende Accessoires dazu!«
Besagte Accessoires – ein breiter schwarzer Gürtel und ein Paar schwarze Stilettostiefel aus Veloursleder, die wir anschließend in einem Geschäft drei Häuser weiter gekauft hatten, sowie ein langer schwarzer Wollmantel – hatten das Outfit perfekt abgerundet.
»Du wirst zum Anbeißen aussehen, meine Liebe!«, stellte Oscar begeistert fest, als er das gesamte Ensemble betrachtete. »Wie schade, dass du nur mit Sean zur Hochzeit gehst – was für eine Verschwendung!«
Als ich mich vor dem Spiegel meines Hotelzimmers drehte und wendete, wusste ich, dass Oscar recht hatte – ich sah in den Sachen wirklich hinreißend aus. Sogar mein überaus selbstkritischer Blick war ausnahmsweise mit dem zufrieden, was er da sah. Es war nicht so, als würde ich normalerweise keinen Wert auf mein Aussehen legen – weit gefehlt. Ich genoss eine ausgedehnte, fröhliche Shoppingtour genauso sehr wie die nächste Modesendung mit Tipps von Fashion-Guru Gok Wan – ich war es eben nur nicht gewohnt, Kleider zu tragen. Tatsächlich hatte David sogar an dem Abend, an dem wir König Lear gesehen hatten, gespöttelt, dass er mich das nächste Mal wahrscheinlich erst bei unserer Hochzeit wieder in einem Kleid sehen würde. Damals hatte ich diesen Kommentar als ein wenig unfair empfunden, musste aber rückblickend zugeben, dass er durchaus berechtigt war.
Als hätte er gewusst, dass ich gerade an ihn dachte, klingelte plötzlich mein Handy, das auf dem Frisiertisch neben mir lag. Im Display blinkte Davids Name auf. Ich haderte mit mir, ob ich rangehen sollte. Doch David hatte mir den Gefallen getan, mich nicht allzu oft anzurufen, seitdem ich fort war, deswegen nahm ich das Gespräch an.
»David, wie geht es dir?«, fragte ich betont fröhlich.
»Gut, Scarlett. Und dir? Wie ist London?« Davids heiterer Tonfall klang ein wenig aufgesetzt.
»Ähm … Im Augenblick bin ich gar nicht in London.«
»Wo bist du denn?«
»In Glasgow.«
»Glasgow! Was um alles in der Welt tust du in Glasgow?«
»Ich gehe zu einer Hochzeit«, erwiderte ich gelassen.
»Wessen Hochzeit?«
»Ähm …« Wie war noch mal der Name der Braut? Oder der des Bräutigams? »Die Cousine von jemandem aus meinem Freundeskreis, den ich kürzlich hier in London getroffen habe, heiratet. Wir haben darüber gesprochen und beschlossen, dass ich mitkomme.«
»Wie – einfach so?«
»Ja.«
Verzweifelt suchte ich nach einer Möglichkeit, schnell das Thema zu wechseln. »Das Hotel, in dem wir untergebracht
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