Taumel der Gefuehle - Roman
entgegnete er ruhig. »Dieses Gespräch führt zu nichts.«
»Aber du streitest es nicht ab.«
»Ich pflichte dir allerdings auch nicht bei.«
Verzweifelt kniete sie sich vor den Oberst und legte ihre Hände auf seine Unterarme. »Sieh mich an«, flehte sie leise. »Sag ihm, dass er aufhören soll. Ich weiß, dass es in deiner Macht steht.«
Blackwood blickte ihr eindringlich ins Gesicht. »Nein.«
»Aber er ist mein Ehemann!«, erwiderte Elizabeth mit Tränen in den Augen.
»Das ist er.«
»Ich möchte nicht, dass ihm etwas zustößt.«
»Ihm etwas zustößt? Glaubst du etwa, der Gentleman-Dieb würde dich zur Witwe machen?«
»Ja... nein. Du verstehst nicht, was ich sagen möchte. Er könnte verletzt werden. North ist mutig, das weißt du. Treu ergeben und loyal. Er bewundert dich und würde dir bis ans Ende der Welt folgen, falls du es von ihm verlangtest.«
Blackwood hob eine Hand und stützte das Kinn auf seine Knöchel. »Ich weiß, was North ist und warum er das tut, was er tut. Bei dir, Elizabeth, bin ich mir hingegen weniger sicher. Wenn mich nicht alles täuscht,
weiß ich seit ungefähr sechs Jahren kaum mehr etwas über dich. Das war etwa die Zeit, als du zusammen mit deinem Vater und Isabel eine Reise auf dem Kontinent machtest. Erinnerst du dich? Ich hätte erwartet, von deinen Abenteuern und Eindrücken zu hören. Während dieser Zeit hast du mir jedoch kaum geschrieben. Später wurden deine Briefe noch spärlicher. Selden ist in Italien geboren worden, nicht wahr? Ich erinnere mich, dass du mir von deinen Sorgen um Isabels Gesundheit berichtetest, deiner Angst, sie könnte die Geburt des Kindes nicht überleben, wie zuvor deine geliebte Mutter. Damals hast du mir dein Herz ausgeschüttet, Elizabeth. Warum kannst du das heute nicht?«
Sie starrte ihn kühl an, ihr Schmerz hatte sich rasch in Zorn verwandelt. »Ich komme zu dir, aber du weist mich zurück. Was mein Herz angeht, so habe ich es dir geöffnet, du allerdings willst mir nicht glauben.«
Blackwood runzelte die Stirn. »Du hast mir nichts offenbart.«
»Dann habe ich dir alles gezeigt, was in meinem Herzen ist.« Ohne auf eine Antwort zu warten, flüchtete Elizabeth aus dem Raum.
Lügnerin! Elizabeth schleuderte sich das Wort ins Gesicht, das sie wie eine Lanze durchbohrte. Sie hatte gelogen. Schon wieder. Eine weitere Perle auf der Kette aus Lügen. Lügnerin. Es gab kein passenderes Wort dafür, was aus ihr geworden war.
Und nun belog sie auch noch sich selbst.
Elizabeth kehrte nicht in den Salon zurück, in dem North und die anderen Gäste versammelt waren, und nichts hätte sie dazu bewegen können, dem Oberst entgegenzutreten
und ihre Lügen einzugestehen. Sie schritt zum Hintereingang, unter den missbilligenden Blicken des Kochs und seiner Küchenhilfen.
Es war zu frisch, um lange ohne Mantel im Freien zu sein. Doch Elizabeth spürte die beißende Kälte und den eisigen Regen nicht, als sie plötzlich die Wahrheit erkannte.
Sie liebte ihn. Liebte North. Sie liebte Brendan David Hampton, den sechsten Earl von Northam!
Diese Offenbarung half ihr nicht, ihre Stimmung aufzuhellen. Genau das Gegenteil war der Fall. Dieses Wissen empfand sie als eine schwere Bürde und die Quelle ihrer Panik. Sie spürte einen starken Druck auf ihrer Brust und atmete schwer.
Nichts war mehr so wie bei ihrer ersten Liebe. Aber natürlich waren die Umstände nicht mehr die gleichen. Sie hatte sich verändert. Elizabeth ängstigte sich genau vor den Gefühlen, die sie einst so unbeschwert genossen hatte.
»Elizabeth?«
Von weit her hörte sie eine Stimme, die in ihrem Kopf widerhallte, ohne einen Sinn zu ergeben. Mit geschlossenen Augen versuchte Elizabeth eine Hand zu heben, um den Eindringling abzuwehren.
»Elizabeth!«
Die Knie gaben unter ihr nach. Von allen Seiten strömte Dunkelheit auf sie ein. Sich ihr zu ergeben schien die einzig sinnvolle Lösung zu sein.
North saß in Wests blauem Salon neben Elizabeth auf der Chaiselongue. Er tätschelte ihr leicht die Wange und strich ihr eine feuchte Locke aus dem Gesicht.
»Soll ich nach einem Arzt rufen lassen?«, fragte der Oberst vom Türrahmen her.
»Nein. Sie war nur ohnmächtig.« North blickte zu Blackwood, dessen Gesicht von Sorge gezeichnet war. Der Oberst sah aus, als sei er in der letzten Stunde um Jahre gealtert. »Würdet Ihr uns für einen Moment allein lassen?«, bat er den Oberst. »Und behaltet das hier bitte für Euch. Elizabeth würde es nicht wünschen, so
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