Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Suckert
Vom Netzwerk:
neues Auto gekauft.“
    „Du hast, ohne mich zu fragen, ein Auto gekauft? Haben dir deine Eltern eine Finanzspritze gegeben?“
    „Nö, ich habe die Zehntausend DM vom Sparbuch abgeräumt, dadurch sind die weiteren Raten nicht so hoch.“
    Ich musste mich setzen. Für einige Sekunden verschlug es mir die Sprache. „Du hast unser Sparbuch leer gemacht? Sag mir, dass das ein Treppenwitz ist. Da war auch Geld von mir mit dabei. Und ich denke, nicht wenig. Ich kann es nicht fassen. Wie hättest du eigentlich reagiert, wenn ich das gemacht hätte?“ Ich blieb erstaunlich ruhig.
    Georg zuckte mit den Achseln. „Wenn wir in den Urlaub geflogen wären, so wie du das wolltest, wären auch fünftausend Mark weg gewesen. Für nichts.“
    „Tolles Argument. Wir waren schon -zig Jahre nicht mehr im Urlaub, alles wurde verbissen auf die Seite geräumt. Für den E-Fall, wie du immer so schön sagst. Jetzt rennst du einfach los und kaufst irgend so eine Karre.“ Nun wurde ich doch etwas heftiger.
    „Einen Jeep“, konterte Georg mit einem arroganten Grinsen. „Einen Jeep, klar. Der frisst doch garantiert einen Haufen Sprit. Was willst du hier in unserem Flachland mit einem Geländewagen? Du fährst praktisch nur in der Stadt herum. Ah, ich verstehe, es ist eine Prestigefrage. Deine fehlenden Zentimeter an Größe willst du damit ausgleichen. Du wirst nie Größe haben, mein lieber Georg. Herrgott, ich fasse das nicht.“
    „Du kannst keifen, wie du willst. Ich habe beschlossen, ab sofort mein eigenes Leben zu führen.“
    „Oha, dein eigenes Leben? Oder eins mit dieser anderen Frau?“
    Seine Miene verfinsterte sich: „Was faselst du da? Welche andere Frau?“
    Ich holte die Fotos. Georg saß völlig ungerührt am Tisch und goss sich ein Glas Bier ein. Ich wedelte mit dem Schultüten-Foto vor seiner Nase.
    Er zog den Kopf etwas zurück und meinte: „Ich kenne die Fotos nicht.“
    „Wieso die Fotos? Ich habe dir doch nur eins gezeigt.“ Ich baute mich vor ihm auf: „Du Scheißkerl. Wer ist die Frau? Wie lange geht denn das schon so? Und das, ist das dein Kind?“ Ich tippte energisch auf den Jungen.
    „Du spinnst Juliane. Ich kenne weder die Frau noch das Kind.“
    Ich rannte die Treppen hoch, holte Georgs Kinderfotos und schrie ihn an: „Da, deine abstehenden Ohren. Und da, die gleichen schmalen Lippen und hier, die Augenform. Das ist doch ziemlich eindeutig, oder?“
    „Und wenn es so wäre, was würde das ändern? Ich möchte mich so oder so von dir trennen. Du bist wie ein Geschwür. Und ein Geschwür muss man entfernen.“
    Ich war sprachlos. Zum einen wegen der Metapher, zum anderen, weil mir Georg zuvor kam. Er entsorgte mich quasi. Das hatte er eiskalt geplant. Oder warum hatte er das Sparbuch sonst bis auf den letzten Pfennig abgeräumt? Ich bemühte mich um Fassung, keine Träne sollte er sehen. Mir fiel nichts Besseres ein, als spontan zu sagen: „Den Kater behalte ich!“
    „Ja, darum bitte ich aber.“
    Er zog seine Augenbraue spöttisch in die Höhe.
    „Und diese Klitsche hier kannst du behalten, dieser weine ich keine Träne nach. Aber dir ist hoffentlich klar, dass du mich entschädigen musst. Finanziell, meine ich. Hier ist auch mein Schweiß geflossen und Geld. Schade, dass man Entbehrungen nicht in Heller und Pfennig umrechnen kann, das würde mich zur reichen Frau machen.“
    Völlig emotionslos fragte Georg: „Vögelst du eigentlich noch mit diesem Caspari?“
    Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht. Er wusste es? Warum hat er mich nie darauf hin angesprochen? War ich ihm nicht einmal eine Szene wert? War ich ihm wirklich so egal?
    „Willst du auch einen Kaffee?“, fragte er mich im normalsten Ton der Welt.
    Ich nickte. Komisch, ich war nicht wirklich wütend. Nicht wütend, nicht traurig, nicht enttäuscht. Vermutlich stand ich unter Schock. Alles um mich herum fiel auseinander, wie Mikadostäbchen. Und ich nahm es gelassen hin, fast stoisch. Und auch Georg wirkte entkrampft.
    „Sahne?“, fragte Georg.
    „Wir leben zig Jahre zusammen und du fragst mich, ob ich Sahne in meinen Kaffee haben will? Natürlich, das weißt du doch.“
    Er schaute mich auf eine merkwürdige Weise an. Sein Gesichtsausdruck hatte eine Spur von Bedauern oder etwas in dieser Art.
    „Jetzt frage mich bloß nicht, wie viel Sahne ich haben will. Mensch, ich dachte, wir beide kennen uns in- und auswendig. Aber wahrscheinlich haben wir immer aneinander vorbei gelebt. Du kennst die Frau und das Kind, nicht

Weitere Kostenlose Bücher