Team Zero 1 - Heißkaltes Spiel (German Edition)
stehen. Die anderen Männer näherten sich ihm von hinten, ihre Blicke fixierten sie.
„Du bist doch der Dichter, der Poet … Achte stets auf deinen Charakter, denn er ist dein Schicksal“, zitierte sie den letzten Satz einer Weisheit, der ihr auf der Zunge lag. Ihre Waffe unbeirrt auf den Koloss von Mann vor ihr gerichtet, dessen Blick so unergründlich wie die Tiefe des Ozeans war.
„Du bist der Kerl, der mich verfolgt. Willst mich in den Wahnsinn treiben …“
Sie fuchtelte wie wild mit ihrer Pistole. Niemand rührte sich auch nur einen Millimeter. „Was willst du von mir? Siehst du nicht, dass ich bereits am Boden liege? Wie viel Leid willst du mir noch antun? Habe ich nicht schon genug gelitten?“, rief sie.
„Lass mich das machen“, sagte ein Mann mit eiskaltem Blick und längeren Haaren. Er schob sich an den anderen vorbei. Er machte ihr Angst. Instinktiv wich sie zurück.
„Bleibt, wo ihr seid!“
Der Mann mit den eisigen Augen streckte seinen Arm nach ihr aus. „Gib mir deine Hand, Josy. Vertrau mir“, sagte er mit Eindringlichkeit und flehentlichem Blick. Wie sollte sie ihm vertrauen? Wusste er nicht, dass Vertrauen nur Leid bedeutete? Schwäche war? Sie konnte sich Vertrauen nicht leisten. Bei niemandem. Sie ganz allein war für sich verantwortlich. Früher. Heute. Für alle Ewigkeit.
Den Teufel würde sie tun. In ihrem Kopf begannen sich die Bilder zu verschieben. Bilder, die sie seit vielen Jahren tief begraben hatte.
„Bitte nicht“, schluchzte sie.
Ihre Hände zitterten stärker, auch ihre Knie fühlten sich an wie Gummi. Sie war so müde. So unendlich müde. Und sie hatte keine Kraft mehr, zu kämpfen. Sie verlor diesen Kampf. Wieder. Das wurde ihr schlagartig bewusst.
Die Waffe wurde ihr aus den Händen geschleudert, ohne dass sich auch nur eine Person bewegt hätte. Sie sah auf, als ein Stromschlag die Abfolge der Bilder in ihrem Kopf durchbrach.
„Ian, du hättest sie umbringen können.“
„Alter, sie atmet doch.“
Zwei starke Hände hoben sie hoch. Dann wurde sie in den Sog von Dunkelheit gezogen.
16
A
ls sie sich endlich durch die Finsternis gekämpft hatte, gelang es ihr nicht einmal ansatzweise, ihre schweren Lider zu öffnen, geschweige denn, sich irgendwie bemerkbar zu machen.
Sie hörte Menschen, die leise miteinander sprachen, kamen und gingen, konnte aber nichts anderes tun, als in ihrem erschöpften Körper gefangen zu bleiben, ohne sich zu rühren. Sie hatte keine Kontrolle über ihre Gliedmaßen. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nichts tun, was ihre Lage verbessert hätte. Nebenbei schnappte sie den ein oder anderen Wortfetzen auf. Halluzinogen. Bewusstseinsdroge. Verborgene Ängste.
Um Himmels willen. Was war geschehen?
Immer wieder schlummerte sie ein und kam wieder zu sich. Jegliches Gefühl für Zeit und Raum ging ihr verloren. Sie fühlte sich unendlich hilflos. Manchmal bekam sie mit, dass Will ihre Hand hielt, ihr über die Wange streichelte. Auch Alexa saß neben ihr und sprach beruhigende Worte. So viel erfasste sie noch, dann holten sie wieder die Schatten der Nacht.
Als sie es wieder geschafft hatte, sich in das Geschehen um sich herum zurückzuholen, spürte sie heißen Atem, der über ihr Gesicht strich. Ihre Nackenhaare prickelten. Sie wusste, wer sie so genau ansah. Ian.
Ihre Lider schmerzten, ihre Augen brannten, als sie sie öffnete. Sie blinzelte gegen das gedimmte Licht an.
„Verzieh dich, T-Rex.“
Ihre Lippen fühlten sich an, als wären sie über Asphalt radiert. Insofern fiel ihr das Sprechen schwer und Worte kamen nur als leises Ausatmen aus ihrem Mund.
„Sieh an, unser Drogenkind weilt wieder unter uns.“
Ians tiefes Lachen tat ihrem Kopf nicht gut. Hatte er gerade einen zusammenhängenden Satz gesprochen? „Geh weg“, flüsterte sie, als er ihre Lider hochzog und mit einer kleinen Taschenlampe in ihre Augen leuchtete.
„Deine Pupillen sind noch immer stark erweitert“, stellte er fest.
Sie wollte seinen Arm wegschlagen, doch sie konnte ihn nur wenige Zentimeter heben.
„Wie viele Finger siehst du?“, fragte er nachdrücklich und fuchtelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum.
„Sieben.“
„Hör auf mit dem Scheiß.“
Seine sonore Stimme dröhnte in ihren Gehörgängen wie ein schrilles Echo in den Bergen. Sogar seine Bewegungen, einfach alles, war viel zu laut. Diese Geräusche brachten sie noch um. „Geh weg“, bat sie erneut. Sie wollte nur allein sein. Wieder zu sich finden.
Weitere Kostenlose Bücher