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Tempel der Unsterblichen

Tempel der Unsterblichen

Titel: Tempel der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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fühlte sich einzig verloren und einsam.
    Andererseits aber - war es denn in Sydney anders gewesen? Nein, auch dort war sie sich als Ausgestoßene vorgekommen, eine Fremde unter Fremden in der Fremde. Und genau dasselbe hatte sie in Rom, ihrer vorherigen Station, empfunden.
    Lilith war fast überzeugt davon, daß sie sich an jedem Ort dieser Welt so und nicht anders gefühlt hätte - als gehöre sie nicht dorthin, nirgendwohin. Sie war ein Niemand und hatte nichts. Konnte sie in dieser Situation nicht einfach auf Landru vertrauen, darauf, daß er ihr einen Weg in eine lebenswerte Zukunft wies?
    Sie mußte es. Und sie wollte es. Von Herzen gerne - - und doch vermochte sie es nicht bis in die letzte Konsequenz. Ganz egal, wie sehr Landru beteuerte, sie wären einander gleich, von derselben Art und Rasse ...
    ... zu gewaltig schien Lilith der Unterschied zwischen ihr und Landru, und das zarte Band, das anfangs ohne Zweifel zwischen ihnen bestanden hatte, war zerrissen oder zumindest doch sehr dünn geworden, nachdem er Moskowitz ohne echten Grund getötet hatte.
    Lilith konnte sich nicht vorstellen, daß sie zu einer solchen Tat fähig wäre. Und sie wollte sich nicht vorstellen, daß sie je dazu fähig gewesen war .
    Aber als würden ihre Zweifel sie von neuem hervorlocken aus der Tiefe, in die Lilith sie verbannt hatte, vernahm sie in ihrer Erinnerung wieder Landrus Worte:
    Du bist wie ich ...
    Eine Vampirin ...
    Für Sekunden schloß Lilith die Augen, als könne sie damit ihren Blick auch vor der Wahrheit verschließen. Blind schritt sie durch das kniehohe Gestrüpp, das den kaum benutzten Dschungelpfad bedeckte. Haisund Kiefermuskeln schmerzten, weil Lilith alle Worte und Laute krampfhaft zurückhielt, die sich Bahn brechen und von ihrer Verzweiflung künden wollten.
    Dann aber schrie sie plötzlich doch auf!
    Weil sie strauchelte und fiel. Farne dämpften ihren Sturz, der weiche Boden schluckte jeden Ton. Ächzend richtete Lilith sich auf.
    »Landru!«
    Die schleifenden Schritte, nun schon ein beträchtliches Stück von ihr entfernt, verhielten.
    »Was ist?« drang Landrus Stimme zu ihr. Pflanzenfilz und niede-res Strauchwerk entzogen ihn Liliths Blicken.
    »Laß uns eine Rast einlegen«, antwortete sie.
    »Bist du erschöpft?«
    Lilith zögerte kurz, ehe sie erwiderte: »Ja.«
    Das war gelogen, und Landru wußte es wohl auch. Lilith fühlte sich allenfalls ein klein wenig matt, aber keineswegs müde oder gar erschöpft. Worüber sie sich wunderte, nicht erst seit heute; zumal sie seit ihrem Erwachen in jenem Kloster keine Nahrung zu sich genommen hatte - zumindest keine, die sie bei sich behalten hätte . Doch wenn Landru recht hatte, gab es ohnehin nur eines, das sie nähren konnte ... Aber damit wollte Lilith sich nicht einmal in Gedanken befassen. Trotzdem aber wußte sie, daß der Tag und die Stunde kommen würden, da sie sich dem Notwendigen und der Wahrheit nicht länger würde verweigern können - Der Grund, aus dem sie Landru um diese Pause bat, war ein anderer: Er war schmächtig und jung, nicht älter jedenfalls als 16 oder 17 Jahre, fast ein Kind also noch - Pepe, der Indiojunge, den Landru in der letzten größeren Ansiedlung als Führer angeworben hatte - angeblich als Führer; denn Lilith hätte schon blind sein müssen, um nicht zu erkennen, daß Landru keinen Führer brauchte. Ganz offensichtlich kannte er den Weg, wo das Ziel auch liegen mochte, selbst gut genug. Weshalb Pepe sie dennoch begleiten mußte, darüber hätte Lilith nur Vermutungen anstellen können. Aber sie zwang sich, genau dies nicht zu tun ...
    Dem schwarzlockigen Knaben jedenfalls stand die Erschöpfung ins zwar magere, nichtsdestotrotz aber fast mädchenhaft hübsche Gesicht geschrieben. Seine Wangen wirkten eingefallen, der Glanz seiner Augen war einem stumpfen Schimmer wie von altem Metall gewichen. Trotzdem gab er mit keinem Wort zu erkennen, wie es um seine Kräfte stand. Und so sah Lilith sich gezwungen, dem Jungen wenigstens eine Atempause zu verschaffen.
    Während sie sich vollends aufrichtete, ging Pepe näher an einen der umstehenden Büsche heran und begann, dunkle Beeren von sei-nen Zweigen zu pflücken. Als Lilith zu ihm trat, lief Pepe schon ru-binfarbener Saft aus den Kinnwinkeln, wie das Blut einer inneren Verletzung. Er zupfte weitere Früchte vom Strauch, ohne sie sich jedoch in den Mund zu stecken. Stumm hielt er sie schließlich Lilith hin, den Blick der dunklen Augen fast unterwürfig zu ihr

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