Temptation: Weil du mich verführst
mich ausgetrickst hat. Immerhin hatte sie ihren Zweck erfüllt: Wir waren verheiratet. Sie war, zumindest äußerlich, eine echte Schönheit und eine Tänzerin mit Leib und Seele. Ich glaube, dass ihr in Wahrheit vor den Auswirkungen gegraut hat, die eine Schwangerschaft auf ihren Körper und auf ihr ganzes Leben gehabt hätte. Sie war nicht das, was man sich unter einer hingebungsvollen Mutter vorstellen würde. Deshalb war ich sicher, dass sie versuchen würde, einen Abort herbeizuführen. Zumindest hätte ich es ihr zugetraut.« Er sah ihr in die Augen. »Deshalb galt meine Sorge nicht Elizabeth, sondern dem Kind. Daher rührt vermutlich mein übertriebenes Kontrollbedürfnis. Du weißt ja inzwischen, wie ich sein kann.«
»Aber du sagtest doch irgendwann, sie hätte dir die Schuld daran gegeben, dass sie das Kind verloren hat«, meinte Francesca.
Wieder nickte er. »Sie hat behauptet, es hätte daran gelegen, dass ich ihr ständig eingebläut hätte, auf sich achtzugeben, und dass ich jeden ihrer Schritte überwacht hätte. Sie hätte sich in ihrer Freiheit beschnitten gefühlt, meinte sie, ich hätte sie zur Gefangenen meiner eigenen Ängste gemacht. In diesem Punkt hatte sie zweifellos recht. So bin ich nun mal, wenn mir jemand am Herzen liegt, und dieses Kind war mir sehr wichtig.«
»Trotzdem klingt das für mich nicht nach einem nachvollziehbaren Grund, weshalb jemand eine Fehlgeburt erleiden sollte. Immerhin verlieren rund zwanzig Prozent aller Frauen ihr Kind, richtig? Es hätte doch genauso gut einfach so passieren können, ohne dass du etwas dafür kannst, oder?«, sagte Francesca. Ians Frau schien tatsächlich ein ziemlich hinterlistiges Miststück gewesen zu sein.
»Das werden wir wohl niemals erfahren. Aber es spielt ohnehin keine Rolle mehr.«
Diese Ansicht teilte Francesca nicht – für sie spielte es sehr wohl eine Rolle. Nicht zuletzt, weil es erklärte, weshalb er sich einbildete, niemals eine ernsthafte Beziehung eingehen zu können.
»Wieso hast du sie geheiratet, wenn du sie gar nicht aufrichtig geliebt hast?«, fragte sie.
Er zuckte flüchtig die Achseln. Sie konnte sich nicht beherrschen und strich mit der Hand über seine muskulöse Schulter. Sie konnte einfach die Finger nicht von ihm lassen. Und wer wusste, wann er ihr das nächste Mal erlauben würde, ihn zu berühren?
»Ich würde niemals zulassen, dass ein Kind von mir ein Leben als Bastard führen muss«, antwortete er.
Ihre Finger verharrten abrupt. Dies war erst das zweite Mal, dass er seinen Status als uneheliches Kind ihr gegenüber erwähnte. Sie erinnerte sich an seine Worte, als sie einander bei der Cocktailparty im Fusion begegnet waren.
»Dein Vater«, hauchte sie und registrierte das leichte Glitzern in seinen blauen Augen. War es eine Warnung, eine stumme Botschaft, es nicht zu weit zu treiben? Trotz des potentiellen Risikos fuhr sie fort. »Kennst du ihn?«
Er schüttelte den Kopf. Inzwischen ließ sich die Anspannung seiner Muskeln nicht länger leugnen, trotzdem machte er keine Anstalten, sie von sich zu schieben und aufzustehen, wie sie es befürchtet hatte – eine ermutigende Reaktion.
»Wolltest du denn nie wissen, wer er ist? Auch heute nicht?«
»Nur insofern, als dass ich den elenden Dreckskerl am liebsten umbringen würde.«
Auf diese unverhohlene Aggressivität war sie nicht gefasst gewesen. »Wieso denn das?«
Er schloss für einen Moment die Augen, und sie fragte sich, ob sie vielleicht doch zu weit gegangen war. Machte er jetzt einen Rückzieher?
»Wer auch immer der Kerl gewesen sein mag, er hat meine Mutter ausgenutzt. Ob er sie schlicht und ergreifend vergewaltigt oder nur eine verletzliche, kranke Frau verführt hat, ist völlig egal, fest steht, dass ich zur Hälfte die Gene eines kranken Schweins in mir trage.«
»O Ian«, hauchte sie voller Mitgefühl. Wie grauenhaft für einen kleinen Jungen, mit einer solchen Gewissheit leben zu müssen. Ebenso sehr wie für einen erwachsenen Mann. »Und du bist ihm nie begegnet? Er hat sich nie bei euch blicken lassen?«
Er schüttelte erneut den Kopf, ohne die Augen zu öffnen.
»Und deine Mutter hat nie …«
Er schlug die Augen auf. »Sie hat jedes Mal vollkommen die Fassung verloren, wenn ich damit angefangen habe. Du weißt schon – repetitive Verhaltensmuster, rhythmisches Vor- und Zurückwiegen und solche Dinge. Also habe ich dieses Thema gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Aber mein Hass auf ihn wurde immer größer. Er hatte ihr
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