Temptation: Weil du mich verführst
St. Germain zu haben«, fügte er geheimnisvoll hinzu. »Ich werde Sie jetzt alleinlassen. Es ist alles arrangiert. Sie können versichert sein, dass niemand Sie stören wird. Ich habe die Überwachungskamera des Salon Fontainebleau für die Zeit Ihres Besuchs ausgeschaltet, um Ihnen Privatsphäre zu gewähren. Ich bin im Ostflügel, falls Sie mich brauchen sollten«, erklärte Monsieur Laurent.
»Das werden wir nicht. Ich möchte Ihnen für Ihre Großzügigkeit danken. Ich weiß, dass meine Bitte ein wenig ungewöhnlich war.«
»Ich bin der festen Überzeugung, Sie hatten sehr gute Gründe dafür«, erwiderte Monsieur Laurent glatt.
»Ich werde Sie rufen, wenn wir mit der Besichtigung fertig sind. Es wird nicht lange dauern«, versprach Ian.
Monsieur Laurent machte eine knappe Verbeugung, die völlig natürlich und ungekünstelt an ihm wirkte, und verschwand.
»Ian, was machen wir hier?«, flüsterte Francesca, als er sie durch einen schwach erleuchteten Gewölbegang in die entgegengesetzte Richtung führte.
Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Sie hatte Mühe, in ihren hohen Schuhen mit ihm Schritt zu halten. Sie gingen weiter, drangen immer tiefer in die Eingeweide des riesigen, weit verzweigten Gebäudes vor, ehe sie in den Teil des Museums gelangten, den Francesca von ihren früheren Besuchen kannte. Das palastartige Ambiente des St. Germain war weitgehend erhalten worden, sodass es sich anfühlte, als befänden sie sich in den opulenten, noch bewohnten Räumen eines Schlosses aus dem 17. Jahrhundert mit Mobiliar und griechischen und römischen Kunstwerken von unschätzbarem Wert.
»Willst du, dass ich etwas anderes für dich male, und hoffst, dass ich hier die richtige Inspiration dafür finde?«, fragte sie.
»Nein«, antwortete er und zog sie mit sich. Ihre Absätze klapperten laut auf dem marmornen Fußboden und hallten von den hohen Decken und der geschwungenen Treppe wider.
»Wieso haben wir es denn so eilig?«
»Weil ich dich sowohl in den Genuss dieser Erfahrung kommen lassen möchte, es aber kaum erwarten kann, endlich im Hotel allein mit dir zu sein.« Sein Tonfall war so sachlich, dass es ihr die Sprache verschlug. Schon den ganzen Tag über hatte sie dieses Gefühl begleitet, in einer anderen, surrealen Welt zu sein – ein Gefühl, das sich beim Anblick all der Kunstwerke in den Sälen noch verstärkte, als sie immer weiter in die Tiefen des Museums vordrangen. Schließlich trat er in einen langen, schmalen Saal und blieb abrupt stehen.
So abrupt, dass sie um ein Haar auf ihren hohen Absätzen ausgerutscht wäre. Sie folgte Ians Blick und schnappte nach Luft.
»Die Aphrodite von Argos«, stieß sie atemlos hervor.
»Genau. Die italienische Regierung hat sie uns für sechs Monate geliehen.«
»Uns?«, flüsterte sie und starrte die Statue von unschätzbarem Wert an. Das Mondlicht fiel durch die in das Kuppeldach eingelassenen Oberlichter und tauchte den Raum und die Skulptur in weiches Licht. Der anmutig geneigte Oberkörper und die sanfte Miene der aus kaltem weißem Marmor gehauenen Aphrodite waren von geradezu berauschender Schönheit.
»Der Palais St. Germain gehört der Familie meines Großvaters. James Noble ist der Schirmherr des Museums. Seine Sammlung ist eines von vielen Geschenken an all jene, die seine Liebe zu antiker Kunst teilen. Ich gehöre ebenso wie meine Großmutter dem Vorstand des Museums an.«
Die Bewunderung und Ehrerbietung, mit der er die Statue betrachtete, verblüfften sie, wenn auch auf angenehme Weise. Normalerweise war er so schwer zu begeistern. Offenbar besaß Ian Noble Seiten, von denen sie nicht im Entferntesten etwas geahnt hätte.
»Du bist hingerissen von ihr«, stellte sie fest und dachte an die Miniaturausgabe der Statue in seinem Penthouse in Chicago.
»Wenn es ginge, würde sie mir gehören«, gestand er. In seinem Lächeln schien eine Spur Traurigkeit zu liegen. »Aber Aphrodite kann man nicht besitzen, nicht wahr? Zumindest sagt man mir das immer.«
Sie schluckte, während sie ein merkwürdiges Schwindelgefühl erfasste.
»Wieso liebst du genau diese Statue so sehr?«, fragte sie.
Er sah sie an. Seine klaren Züge wirkten im kalten Mondschein ebenso verführerisch wie die der Aphrodite.
»Abgesehen von der Kunstfertigkeit und der Schönheit? Vielleicht wegen dem, was sie tut.«
Francesca betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. »Sie badet, stimmt’s?«
Er nickte. Sie spürte seinen Blick auf ihr ruhen. »Sie vollzieht ihr tägliches
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