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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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bedeuten, Kleon? Wieso ist das Mädchen hier?«
    »Herr, wir konnten die Herberge nicht finden und da hielt ich es für das Beste, es wieder zurückzubringen.«
    »Wieso konntet ihr die Herberge nicht finden?«, fragte Lucius ärgerlich.
    »Das Mädchen kann sich nicht mehr daran erinnern, wo sie ist. Außerdem kam es auf den Straßen zu Krawallen, da haben wir die Suche lieber abgebrochen.« Kleon zupfte nervös an seinem Ohrläppchen.
    »Was soll das heißen, das Mädchen kann sich nicht erinnern?! Das ist äußerst merkwürdig.« Lucius machte ein unwilliges Gesicht. »Und? Was sollen wir jetzt mit ihm anfangen?«
    »Ich wüsste schon was«, mischte sich ein junger Mann halblaut ein. Wenn ich mich nicht täuschte, war es Verus, Marcius’ bester Freund. Er und ein paar andere Männer, die zur sogenannten Ritterschaft gehörten, hatten Marcius neulich verwundet nach Hause gebracht. Danach hatte ich Verus noch ein paar Mal aus der Ferne gesehen. Er war mir aufgefallen, weil er größer als die anderen war und rötliche Haare hatte. »Überlass das Mädchen ruhig mir«, fügte Verus hinzu und grinste anzüglich.
    »Wage nicht einmal, daran zu denken«, zischte Marcius leise. Ich hatte es trotz allem gehört. Erst jetzt bemerkte ich, wie blass und eingefallen sein Gesicht war. Er sah überanstrengt aus. Bestimmt hatte er Schmerzen. Auf einmal machte ich mir mehr Sorgen um ihn, als um mich selbst.
    »Du hättest nicht aufstehen sollen. Das ist zu früh. Du ...«, setzte ich an.
    »Kleon, kümmere dich um sie! Morgen sehen wir weiter«, unterbrach Marcius mich. Seine schroffe Stimme traf mich wie eine Ohrfeige. Ich fühlte meine Wange brennen, wie an dem Abend, als mich Kleon geschlagen hatte. Wut stieg in mir auf. Wie redete Marcius eigentlich mit mir? Erst rettete ich ihm sein Leben, und nun setzte er mit seinem Leichtsinn seine Gesundheit und meine ganz Arbeit aufs Spiel.
    Bevor ich etwas erwidern konnte, schnappte mich Kleon und brachte mich zu Filippas Zimmer. Wieder eine wortlose Wanderung, die kein Ende zu nehmen schien. Erst vor dem beigen Vorhang, hinter dem sich Filippas kleines Reich befand, ließ Kleon meinen Oberarm los.
    »Danke«, sagte ich leicht sarkastisch, und dann ernst: »Danke für vorhin.«
    Kleon brummte nur etwas Unverständliches und verschwand in Richtung Innenhof. Er war noch nicht ganz außer Sichtweite, da wich sämtliche Kraft aus meinem Körper. Völlig erschöpft schob ich den Vorhang zur Seite, wankte zu meinem Bett, das zum Glück noch niemand weggebracht hatte, und ließ mich darauf fallen. Anders als erwartet, fühlte ich mich jedoch im Liegen auch nicht besser. Ich war zu kaputt und zu überdreht, um zur Ruhe zu kommen. An Schlaf war erst recht nicht zu denken. Hoffentlich kam bald Filippa. Es gab so vieles, was ich ihr erzählen wollte: von unserer vergeblichen Suche nach der Herberge, von dem grässlichen Kerl, wie Kleon mich vor ihm gerettet hatte und über Marcius. Ich hatte das Gefühl, fast zu platzen, wenn ich nicht bald mit jemandem darüber sprach.
    Beinahe genauso wie der Vorfall in der Stadt, belastete mich die Frage, warum Marcius so unfreundlich zu mir war. Schon beim Abschied hatte er sich eigenartig benommen. Andererseits hatte er auf Verus’ schlüpfrige Bemerkung scharf reagiert: »Wage nicht einmal, daran zu denken!« Das musste doch etwas bedeuten. Oder nicht? Ich unterdrückte einen Schluchzer. Bloß nicht weinen! Mein Kopf schmerzte auch so schon genug. Hoffentlich hatte ich keine Gehirnerschütterung. Wenn wenigstens Marcius nicht so komisch zu mir wäre! Ich unterdrückte wieder einen Schluchzer und schimpfte mit mir selbst. Marcius war nun wirklich mein geringstes Problem! Viel entscheidender war die Frage, was aus mir werden sollte.
    Die Zeit tröpfelte dahin, ohne dass Filippa auftauchte. Dabei wollte ich so gern mit ihr reden.
    Ich wartete und wartete. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde ich wütender. Nie war jemand da, wenn man ihn brauchte!

    Die Sonne war bereits untergegangen, als Filippa endlich ins Zimmer gehuscht kam. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie jemanden erlebt, der sich so geräuschlos bewegen konnte. Fast wie ein Geist.
    »Ich bin so froh, dass du wieder da bist«, hörte ich den Geist mit Filippas Stimme flüstern. Er beziehungsweise sie musste direkt vor meinem Bett stehen.
    Ich reagierte nicht, sondern tat so, als würde ich bereits schlafen. Jetzt wollte ich nicht mehr mit ihr sprechen! Ich war sauer, dass sie mich so

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