Tempus (German Edition)
Oder um meinem Jammern zu entgehen.
Missmutig schüttete ich Wasser aus einem Krug in eine Schüssel und wusch mir Gesicht und Hände. Zum Zähneputzen hatte Filippa mir ein kleines Töpfchen mit einer Paste gegeben, die aus Gerstenasche, Salz, Honig und Wein bestand. Als Zahnbürste diente mir mein Zeigefinger.
Ich war morgens noch nie besonders schnell gewesen. Inzwischen jedoch bewegte sich eine Schnecke im Vergleich zu mir fast schon dynamisch. Wozu auch beeilen? Ich hatte Zeit. Mehr als genug. Ich trödelte noch eine Weile herum, dann streifte ich mir Filippas blaue Tunika über und machte mich auf den Weg zum Speisezimmer.
Auf den Fluren und Innenhöfen herrschte bereits reges Treiben. Normalerweise gingen Lucius’ Sklaven ihrer Arbeit ruhig und mit einer gewissen Würde nach. Heute lag eine seltsame Nervosität in der Luft. Auf einem der zahlreichen Gänge eilte mir Filippa entgegen. Der Duft von frisch gebackenem Brot haftete an ihr.
»Da bist du ja endlich, Elina! Gerade wollte ich dich holen!« Hektische Flecken brannten in ihrem Gesicht.
»Ist was passiert?«, fragte ich besorgt. Automatisch musste ich an Marcius denken.
»Wir bekommen heute Abend wichtigen Besuch. Kannst du mich zum Markt begleiten und mir beim Einkaufen helfen? Kleon hat es erlaubt.«
»Natürlich. Wer kommt denn?«
Fahrig strich sich Filippa eine Locke aus der Stirn. »Senator Gaius Quintus hat sich angekündigt. Er gilt als Anhänger von Julius Cäsar. Ich fürchte, der Besuch hat nichts Gutes zu bedeuten.«
»Wie kommst du darauf?«, wollte ich wissen.
»Kommst du jetzt mit zum Markt oder nicht?« Filippas Augen huschten unruhig umher.
»Ich hab doch längst ja gesagt«, erwiderte ich etwas beleidigt.
Ohne Frühstück brach ich mit Filippa auf. Drei kräftige Sklaven begleiteten uns den Palatin hinunter. Die Sonne hatte sich bereits durch den morgendlichen Dunst hindurchgekämpft und schien für die Jahreszeit viel zu warm vom Himmel herab. Nach Filippas Erzählungen zu urteilen, musste es Oktober im Jahr 50 vor Christus sein, denn Cäsar hielt sich noch in Gallien auf, schien aber nach Rom zurückkehren zu wollen. Cäsar. Ein Mythos, der für mich immer mehr zur Realität wurde. Ich konnte nach wie vor kaum glauben, was mit mir geschehen war. Es war alles so unwirklich. Und auch wieder nicht. Mein knurrender Magen und der Staub auf meinen Füßen fühlten sich sehr real an.
Vor uns auf dem Sandweg waren die Hufspuren von Marcius’ und Verus’ Pferden zu erkennen. »Weißt du, wohin sie geritten sind?«, fragte ich so beiläufig wie möglich. »Ich meine, weil für heute doch geplant war die Fäden zu ziehen.«
Filippa zuckte nur die Achseln.
»Hat es was mit dem Besuch dieses Senators zu tun, dass er weggeritten ist – wie heißt er gleich noch mal?« Wir waren inzwischen am Fuße des Hügels angekommen und Filippa steuerte, ohne zu antworten, auf den Markt zu.
»Filippa, wie heißt er?«, wiederholte ich meine Frage.
»Wer?«
»Der Senator, der uns heute besucht.« Ich verdrehte die Augen.
»Gaius Quintus. – Elina, du musst aufhören, über Dinge nachzudenken, die dich nichts angehen!«
»Aber ...«
»Nichts aber. Halt das lieber.« Sie drückte mir einen Korb in die Hand. Wir hatten die ersten Marktstände auf dem Forum erreicht. Nicht weit von hier hatte mich in irgendeiner Seitenstraße neulich der schmierige Kerl in sein Haus gezogen. Nervös blickte ich nach rechts und links.
»Keine Sorge«, sagte Filippa, die meine Unruhe bemerkte. »Die Sklaven sind nicht nur zum Tragen da, sondern auch zu unserem Schutz. Keiner wird es wagen, uns anzurühren.« Sie ließ mich stehen und konzentrierte sich auf das Obst und Gemüse auf den Tischen vor uns. Kritisch hielt sie es in die Höhe und beäugte es von allen Seiten. Unverzüglich eilte ein Händler zu ihr und begann, seine Ware anzupreisen. Filippa schürzte die Lippen und legte das Obst scheinbar unzufrieden zurück auf den Tisch. Das Feilschen begann. Fasziniert beobachtete ich, wie Filippa erfolgreich die Preise herunterhandelte. Wenn ein Händler ihr Angebot absolut nicht akzeptieren wollte, drehte sie ihm einfach den Rücken zu und tat so, als würde sie zu einem benachbarten Stand gehen. Spätestens die Aussicht, eine Kundin an die verfeindete Konkurrenz zu verlieren, führte zu den gewünschten Preisnachlässen. Ich staunte. So hatte ich meine neue Freundin noch nie erlebt . Menschen können einen überraschen. Wenn du denkst, du kennst sie, merkst
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