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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sechs dieser Schiffe, die alle vor der Küste einer kleinen Insel liegen. Er erkennt Männer auf gefrorenem Geröll unter einer senkrechten schwarzen Klippenwand. Die Männer laufen aufgeregt hin und her. Er kann fast ihre Stimmen in der eisigen Luft hören. Es ist die Beechey-Insel, kein Zweifel. Sie haben die verwitterten hölzernen Gedenktafeln und die Gräber des Heizers John Torrington, des Matrosen John Hartnell und des Gefreiten William Braine gefunden.
    Doch auch wenn diese Entdeckung seiner Fieberträume noch so nahe in der Zukunft liegt, es wird ihm und den anderen Männern von der Erebus und Terror nicht das Geringste nutzen. Sir John hat die Beechey-Insel in blinder Eile verlassen. Schon am ersten Tag, als das Eis nachgab, ließ er die Segel setzen und den Kessel heizen, um von ihrem Liegeplatz aufzubrechen. Nach neun Monaten im Eis hinterließ die Franklin-Expedition nicht einmal eine Nachricht darüber, welche Richtung sie einschlagen wollte.
    Damals nahm Crozier an, dass Sir John es nicht für nötig hielt, die Admiralität darüber zu informieren, dass er wie befohlen nach Süden segelte. Schließlich befolgte Sir John immer seine Befehle; darauf konnte sich die Admiralität auch in diesem Fall verlassen. Doch nach neun Monaten auf der Insel – nachdem sie ein Steinmal errichtet und als eine Art Witz sogar eine Pyramide
aus mit Kieseln gefüllten Konservendosen zurückgelassen hatten – blieb die Tatsache, dass das Steinmal auf der Beechey-Insel leer geblieben war.
    Die Admiralität und der Arktische Rat hatten die Expedition mit zweihundert luftdichten Messingzylindern ausgestattet, mit dem ausdrücklichen Befehl, auf dem gesamten Kurs Nachrichten über ihren Verbleib und ihre eingeschlagene Richtung zu hinterlassen. Von diesen zweihundert Zylindern hat Sir John genau einen benutzt: den, der nutzloserweise nach King-William-Land geschickt und wenige Tage vor Sir Johns Tod im Juni 1847 fünfundzwanzig Meilen südöstlich ihrer gegenwärtigen Position hinterlegt wurde.
    Nichts auf der Beechey-Insel.
    Nichts auf der Devon-Insel, die sie passiert und erforscht hatten.
    Nichts auf der Griffith-Insel, an deren Küste sie nach Ankerplätzen gesucht hatten.
    Nichts auf der Cornwallis-Insel, die sie umsegelt hatten.
    Und auch nichts auf der gesamten Strecke zwischen Somerset-, Prince-of-Wales- und Victoria-Insel, die sie im Sommer 1846 zurückgelegt hatten.
    Und jetzt, in seinem Traum, blicken die Rettungsmannschaften in den sechs Schiffen, die ihrerseits kurz davorstehen, eingeschlossen zu werden, hinaus auf das noch offene Wasser im Wellington-Kanal in Richtung des Nordpols. Die Beechey-Insel gibt ihnen keinerlei Anhaltspunkte. Und aus seiner magischen Seeschwalbenperspektive sieht Crozier, dass der Peel-Sund im Süden, durch den sich die Erebus und Terror in der kurzen Tauwetterphase vor eineinhalb Jahren einen Weg gebahnt haben, jetzt, in diesem zukünftigen Sommer, eine einzige weiße Fläche ist, so weit der Blick der Männer auf der Beechey-Insel und in der Barrow-Straße reicht.
    Sie ziehen gar nicht in Betracht, dass Franklin diese Richtung
eingeschlagen, dass er seinen Befehl befolgt haben könnte. Sie richten ihr Augenmerk – in den kommenden Jahren, denn Crozier erkennt jetzt, dass sie im Lancaster-Sund vom Eis eingeschlossen sind – auf die Suche im Norden. Selbstverständlich wissen sie von Sir Johns nachrangigen Befehlen: Falls sich die Weiterfahrt nach Süden zur Erzwingung der Passage als unmöglich erwies, sollte er sich nach Norden wenden, um über den theoretischen Eisrand hinaus auf das noch theoretischere offene Polarmeer zu segeln.
    Schweren Herzens muss Crozier erkennen: Die Kapitäne und Seeleute dieser acht Rettungsschiffe kommen alle zu dem Schluss, dass Franklin nach Norden gesegelt ist – während er in Wirklichkeit genau die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hat.
    Mitten in der Nacht erwacht er. Er merkt, dass ihn sein eigenes Stöhnen aus dem Schlaf gerissen hat. Um ihn herum ist Licht, aber Licht kann er nicht ertragen, also versucht er nur anhand der brennenden Berührungen und auf ihn eindringenden Geräusche zu verstehen, was geschieht. Zwei Männer – sein Steward Jopson und der Arzt Goodsir – ziehen ihm das schmutzige, schweißnasse Nachthemd aus, waschen ihn mit wunderbar warmem Wasser und kleiden ihn vorsichtig in ein sauberes Nachthemd und Socken. Einer von ihnen füttert ihn mit Suppe, aber Crozier gibt den dünnen Brei gleich wieder von sich. Der

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