Terror
damit jenem Brauche des Schiffsvolkes ein Ende gesetzt, dem zufolge es geneigt war, Landschaften nach todten Officieren zu benennen.
Schon seit dem Aufenthalt im Terror -Lager hatte sich Capitain Fitzjames’ Zustand im Laufe weniger Wochen verschlechtert. Indeß wurde er vor vier Tagen jählings von einem neuen Übel befallen, dessen Auswirkungen ungleich grausamer waren als alles Vorangegangene.
Bereits seit Wochen hatte der Capitain an Magen- und Darmbeschwerden gelitten, als er am 2. Junius unvermuthet zusammenbrach. Auf unserem Marsch gilt das Gesetz, daß der Troß nicht anhält, um Sieche zu versorgen, sondern daß selbige in eins der größeren Boote zu legen und zusammen mit der Ausrüstung und dem anderen todten Gewicht weiter zu ziehen seyen. Capitain Crozier trug persönlich dafür Sorge, daß Fitzjames in seinem Walboote ein bequemes Lager bereitet wurde.
Auf unserem Marsch nach Süden kommen wir nur langsam voran, da nur immer die Hälfte der Last bewegt werden kann. Die Männer arbeiten jeweils etliche Stunden, um fünf der zehn schweren Boote wenige hundert Faden weit über das Geröll und den Schnee zu ziehen. Dabei halten sie sich thunlichst auf dem Lande, um das Packeis und die Pressrücken zu vermeiden. Dergestalt bewältigen sie auf dem zähen Gestein und Eise an einem Tage bisweilen nicht einmal eine Meile. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, bei den Schwerkranken zu verweilen, während die Schlepptrupps die bereits zurückgelegte Strecke von neuem abschreiten, um nunmehr die anderen fünf Boote zu holen. Oft sind meine einzigen
Begleiter in diesen Stunden Mr. Diggle und Mr. Wall, die unermüdlich auf ihren kleinen Spirituskochern warme Mahlzeiten für hundert hungernde Männer zubereiten, sowie einige Männer mit Flinten, die uns vor dem Wesen aus dem Eise und vor Eskimos schützen sollen.
Ansonsten sind nur die Siechen und Sterbenden bei mir.
Capitain Fitzjames litt an starker Übelkeit, welche zu Vomitus und Diarrhoe führte. Seine Convulsionen waren so unerbittlich, daß sich dieser starke, tapfere Mann zusammenkrümmte wie ein Kind im Mutterleibe und vor Schmerzen schrie.
Am zweyten Tage wollte er sich wieder in das Gespann einreihen, welches sein Walboot zog, da auch die Officiere immer wieder mit Hand anlegen müssen. Doch schon bald darauf brach er erneut zusammen. Diesmal hörten das Erbrechen und die Convulsionen gar nicht mehr auf. Als das Walboot am Nachmittag stehen gelassen wurde, weil die diensttüchtigen Männer zurückmarschierten, um die nächsten fünf Boote heranzuschleppen, gestand mir Capitain Fitzjames, daß er die Dinge um sich herum nur noch verschwommen und häufig doppelt sehe.
Ich fragte ihn, ob er die Drahtbrille aufgesetzt hatte, welche uns als Sonnenschutz dient. Die Männer verabscheuen diese Brillen, weil sie ihnen die Sicht rauben und zudem auch oft Kopfschmerzen hervorrufen. Capitain Fitzjames bekannte, daß er sie nicht getragen hatte; allerdings gab er zu bedenken, daß es ein stark bewölkter Tag gewesen sey. Auch die anderen Männer hatten ihre Brille nicht aufgesetzt. In diesem Augenblicke wurde unsere Unterhaltung von neuerlich einsetzendem Durchfall und Vomitus unterbrochen.
Später des Abends offenbarte mir Fitzjames in dem Hollandzelte, in welchem ich ihn versorgte, mit versagender Stimme, daß es ihm schwer falle zu schlucken und daß sein Mund ständig trocken sey. Bald darauf wurde sein Athem mühsam, und er vermochte nicht mehr zu sprechen. Bei Sonnenaufgang wurden seine Oberarme von einer Lähmung erfaßt, welche so stark war, daß er sie nicht mehr heben und keine Nachrichten mehr für mich aufschreiben konnte.
An diesem Tage ließ Capitain Crozier den Zug anhalten. Es war die
erste längere Rast seit dem Aufbruch vom Terror -Lager vor fast sechs Wochen. Sämmtliche Zelte wurden aufgeschlagen. Auch das große Lazarettzelt auf Croziers Walboot wurde ausgepackt. Das Aufstellen im eisigen Winde dauerte volle drey Stunden, weil den Männern die Arbeit schwer von der Hand geht. Zum ersten Male seit fast anderthalb Monathen waren die Kranken behaglich an einem Orte untergebracht.
Mr. Hoar, Capitain Fitzjames’ schwerkranker Steward, starb schon am zweyten Tage unseres Marsches. An jenem ersten schrecklichen Tage legten wir weniger als eine Meile zurück, so daß wir am Abend die Kohlenhaufen, die Herde und die anderen Vorräthe, welche wir im Lager zurückgelassen, noch immer in schrecklicher und schmerzlicher Nähe vor Augen hatten. Es
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