Terror
Wild oder Fische zu fangen, als die Hoffnung auf alte Büchsen von Goldner zu setzen.«
Crozier nickte. »Wenn wir erst auf dem offenen Wasser im Meeresarm sind, sollte es reichlich Robben und Walrosse geben, bevor der Winter richtig anfängt. Und später auf der Flussfahrt werden wir öfter anhalten, um Hirsche, Füchse und Rentiere zu jagen. Unsere größte Hoffnung besteht wahrscheinlich darin, Fische zu fangen, und das ist gar nicht so abwegig nach allem, was wir von Forschern wie George Back und auch von Sir John wissen.«
»Sir John hat sogar seine Stiefel gegessen«, warf Korporal Pearson ein.
Der ausgehungerte Seesoldat wurde nicht zurechtgewiesen, aber es lachte auch niemand. Croziers zerrüttete Stimme klang völlig ernst, als er erwiderte: »Das ist auch der Grund, warum ich Hunderte von Reservestiefeln mitgeschleppt habe. Nicht nur, damit die Männer trockene Füße haben – das hat sich sowieso als Illusion erwiesen. Nein, ich wollte, dass wir auf dem vorletzten Teil unseres Wegs nach Süden das viele Leder essen können.«
Goodsir starrte ihn verdutzt an. »Wir nehmen pro Boot nur ein Fass Wasser mit, aber dafür Hunderte von Navy-Stiefeln zum Essen?«
»So ist es.«
Plötzlich brachen alle acht Männer in heftiges Lachen aus und konnten nicht mehr aufhören. Immer wenn es nachzulassen schien, fing einer wieder an, und es ging wieder von neuem los.
»Schsch!« Crozier, der selbst immer noch um Fassung rang, klang wie ein Lehrer, der seine ungebärdigen Schüler ermahnt.
Die Männer im zwanzig Faden entfernten Lager blickten auf, und die Neugier stand ihnen in die blassen Gesichter geschrieben.
Goodsir musste sich die Tränen abwischen, bevor sie an den Wangen festfroren.
Als wieder Stille eingekehrt war, fuhr Crozier fort: »Wir warten nicht darauf, dass das Eis bis zur Küste aufbricht. Morgen wird Bootsmannsmaat Johnson heimlich Hickeys Gruppe folgen, und Mr. Des Voeux wird mit einem Trupp unserer gesündesten Männer nach Süden übers Eis marschieren. Sie werden nur mit Rucksäcken und Schlafdecken mindestens zehn Meilen weit hinaus auf die Meeresstraße gehen, um zu sehen, ob es offenes Wasser gibt. Wenn sich auf den ersten fünf Meilen eine Fahrrinne auftut, brechen wir sofort auf.«
»Die Männer haben nicht genügend Kraft …«, begann Goodsir.
»Die Kraft kommt schon wieder, wenn sie wissen, dass sie die Boote nur einen oder zwei Tage lang schleppen müssen, um das Wasser zu erreichen. Glauben Sie mir, sogar die Amputierten werden sich auf ihren blutigen Stümpfen ins Geschirr legen und ziehen, was das Zeug hält.«
»Und mit ein bisschen Glück«, fiel Des Voeux ein, »bringt mein Trupp sogar Fleisch von Robben und Walrossen mit.«
Goodsir blickte hinaus auf das unstete Gewirr aus krachenden Pressrücken, das sich unter tiefhängenden, grauen Schneewolken nach Süden erstreckte. »Können Sie die Robben und Walrosse überhaupt durch diesen weißen Alptraum transportieren?«
Des Voeux grinste nur breit.
»Für eine Sache können wir immerhin dankbar sein«, bemerkte Bootsmannsmaat Johnson.
»Was meinen Sie, Tom?«, fragte Crozier.
»Unser Freund aus dem Eis hat anscheinend das Interesse an uns verloren und ist woandershin gezogen. Seit dem Flusslager haben wir nichts mehr von ihm gehört und gesehen.«
Wie auf Kommando streckten alle acht Männer die Hand nach einem Boot aus und klopften mit den Knöcheln auf Holz.
53
Golding
RETTUNGSLAGER
17. AUGUST 1848
K urz nach Sonnenuntergang am Donnerstag, den 17. August kam der Schiffsjunge Robert Golding ins Lager gelaufen. Er zitterte am ganzen Körper und war so aufgeregt, dass er fast kein Wort hervorbrachte. Unterleutnant Robert Thomas fing ihn vor Croziers Zelt ab.
»Golding, ich dachte, du bist mit Mr. Des Voeux’ Trupp auf dem Eis.«
»Aye aye, Sir. Bin ich auch, Mr. Thomas. War ich auch.«
»Ist Des Voeux schon wieder zurück?«
»Nein, Mr. Thomas. Mr. Des Voeux hat mich mit einer Nachricht für den Kapitän hergeschickt.«
»Das kannst du auch mir sagen.«
»Aye aye, Sir. Ich meine, nein, Sir. Mr. Des Voeux hat befohlen, dass ich es nur dem Kapitän melden soll. Bloß dem Kapitän, tut mir leid, Sir. Danke, Sir.«
»Was ist denn das für ein Lärm, verdammt?« Crozier kroch aus seinem Zelt.
Stammelnd und mit vielen Entschuldigungen wiederholte Golding die Anweisung, die er von Des Voeux erhalten hatte. Crozier nahm ihn am Arm und führte ihn vom Zeltkreis weg.
»Jetzt erzähl mal, was los ist,
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