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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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also gehen lassen, noch ehe wir ihre Freundschaft gewonnen haben?«
    »Immerhin haben wir ihren Mann oder Vater erschossen«, gab Stanley zu bedenken. Sein Blick huschte kurz zu der jungen Frau, welche noch immer in das jetzt leere Feuerloch starrte. »Lady Silence hier hegt vielleicht nicht unbedingt die wohlwollendsten Gefühle gegen uns.«
    »Richtig«, erwiderte Capitain Crozier. »Wir haben im Augenblick schon genügend Schwierigkeiten, auch wenn diese Dame nicht mit einer Bande wüthender Eskimos zu unseren Schiffen zurückkehrt, um uns im Schlaf zu ermorden. Nein, ich denke, Sir John hat recht. Sie sollte fürs erste bei uns bleiben, bis wir wissen, was zu thun ist – nicht nur was sie, sondern auch was uns betrifft.« Crozier lächelte Stanley an. In zwey Jahren war dies das erste Mal, daß ich solch ein freundliches Lächeln auf Capitain Croziers Gesicht erblickt hatte. »Lady Silence. Sehr gut, Dr. Stanley. Wirklich passend. Kommen Sie, John. Und auch Sie, Madame.«
    Durch das Schneegestöber wanderten sie nach Westen auf den vordersten Hügelkamm zu. Ich für meinen Theil begab mich über die Schneerampe wieder an Bord der Erebus , zurück in meine kleine Kajüte, die mir im Augenblick wie der wahre Himmel erschien, weil ich dort auf den ersten richtigen Schlaf hoffen durfte, seit uns Leutnant Gore vor zehn Tagen hinaus aufs Eis geführt hatte.

15
Franklin
    70°05′ NÖRDLICHE BREITE | 98°23′ WESTLICHE LÄNGE
11. JUNI 1847
     
     
     
    A m letzten Tag seines Lebens hatte sich Sir John schon beinahe von dem erschreckenden Anblick des nackten Eskimoweibs erholt.
    Es war dieselbe junge Frau, dieselbe halbwüchsige Ahtna-Dirne, die ihm der Teufel bereits auf seiner ersten unglückseligen Expedition gesandt hatte, um ihn zu verlocken: die fünfzehnjährige Bettgesellin des lüsternen Robert Hood mit dem Namen Greenstockings. Sir John war sich seiner Sache völlig sicher. Diese Versucherin hier hatte die gleiche kaffeebraune Haut, die selbst im Dunkeln zu leuchten schien, die gleichen hohen, runden Mädchenbrüste, die gleichen braunen Vorhöfe und das gleiche schmale, tiefdunkle Vlies über dem Geschlecht, so zart wie eine Rabenfeder.
    Es war derselbe Sukkubus.
    Sie nackt auf dem Tisch des Arztes MacDonald zu sehen – im Lazarett seines Schiffes – hatte Kapitän Sir John Franklin zutiefst schockiert, aber er glaubte seine Bestürzung im weiteren Verlauf dieses nicht enden wollenden, beunruhigenden Tages gut vor den Ärzten und den anderen Kapitänen verborgen zu haben.
    Leutnant Gores Bestattung fand am Freitag, den 4. Juni gegen
Abend statt. Ein großer Arbeitstrupp hatte mehr als vierundzwanzig Stunden benötigt, um das Eis zu durchbrechen. Die Männer mussten die oberen zehn Fuß des steinharten Eises mit Schwarzpulver wegsprengen und dann zu Pickeln und Schaufeln greifen, um einen breiten Krater zu graben und die letzten fünf Fuß auszuheben. Als sie gegen Mittag fertig waren, errichteten die beiden Zimmerleute, Mr. Weekes von der Erebus und Mr. Honey von der Terror , ein ebenso sinnreiches wie elegantes Holzgerüst über der zehn Fuß langen und fünf Fuß breiten Öffnung in der dunklen See. Arbeitstrupps mit langen Staken wurden neben dem Krater postiert und hatten dafür zu sorgen, dass sich unter der Plattform kein frisches Eis bildete.
    In der relativen Wärme des Schiffs hatte bei Leutnant Gores Leiche rasch die Verwesung eingesetzt, und so hatten die Zimmerleute zuallererst einen gediegenen schweren Sarg aus Mahagoni gebaut, der innen mit süß duftendem Zedernholz verschalt war. Statt der Schrotkörner, mit denen die in Segeltuch gehüllten Leichen üblicherweise beschwert wurden, wurde Blei zwischen die zwei Holzschichten gefüllt. Mr. Smith, der Schmied, hatte eine wunderschöne Gedenktafel aus Kupfer geformt und graviert, die mit Schrauben am Deckel des Sarges befestigt wurde. Da die Zeremonie eine Mischung aus Landbegräbnis und der gewöhnlicheren Seebestattung war, hatte Sir John angeordnet, den Sarg so schwer anzufertigen, dass er sogleich sinken würde.
    Um acht Glasen der Nachmittagswache versammelten sich die beiden Schiffsmannschaften eine Viertelmeile vor der Erebus an der Beisetzungsstätte. Sir John hatte befohlen, dass alle Mann mit Ausnahme einer Mindestanzahl an Schiffwachen zu der Feier erscheinen mussten, und zwar in voller Uniform und ohne wärmende Überzieher. So fanden sich zur vereinbarten Zeit mehr als hundert förmlich gekleidete Offiziere und Seeleute auf dem

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