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Tessa

Tessa

Titel: Tessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Karlsson
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zwischen den Kopfstützen in den Rückspiegel. Ihre Blicke treffen sich für einen Moment.
    »Ja?«, fragt Tessa misstrauisch.
    »Kann ich dich vorne am Rosa-Luxemburg-Platz rauslassen?«
    »Gehen wir nicht noch etwas trinken?« Tessa sieht in den Rückspiegel, aber Charlotte hebt ihren Blick nicht von der Straße.
    »Ich muss morgen früh im Atelier sein, meine Praktikanten kommen pünktlich«, erwidert Charlotte ausweichend.
    »Ach komm, Charlotte, so spät ist es doch noch gar nicht.« Tessa lehnt sich nach vorne, hält sich an den Kopfstützen fest und redet über Charlottes Schulter.
    »Ich fahr dich nach Hause, ja? Heute mal früh ins Bett ist doch nicht schlecht, oder?«
    Tanner schweigt, und obwohl Tessa ihren Blick nicht sehen kann, könnte sie schwören, dass Tanner einen zufriedenen Gesichtsausdruck hat. Tessa lehnt sich in ihrem Sitz zurück und blickt wieder auf die Straße. Als der Wagen hält, dreht sich Charlotte zu ihr um, doch keiner sagt etwas. Tanner steigt aus, damit Tessa aussteigen kann, und schiebt den Beifahrersitz nach vorne. Charlotte sieht Tessa stumm an. Ohne Lächeln, ohne Küsse, mit einem einfachen Gruß verabschiedet sich Tessa. Tanner ignoriert sie. Nicht auf den Verkehr achtend, überquert sie die Straße. Ein Fahrradfahrer, der ihr mit einem Schlenker ausweichen muss, brüllt ihr hinterher. Tessa reagiert nicht. Sie blickt sich nicht nach ihm um, sondern stöckelt die Straße hinunter. Es nieselt leicht.
    Sie mag nicht alleine nach Hause gehen. Aus der Umhängetasche kramt sie ihr Handy hervor, blättert kurz in ihren Kontakten. Bei Frieder hält sie inne und schreibt ihm eine SMS. »Liebst du mich?«
    Sie zögert, schickt die Nachricht dann aber schnell ab, um sich nicht doch umzuentscheiden. Langsam setzt sie ihren Weg fort, den Kopf gesenkt, damit der Regen ihr Gesicht nicht nass macht. Das Handy hält sie fest umklammert. Als es vibriert, lächelt sie leicht, und noch bevor sie die Nachricht liest, kennt sie seine Antwort: »Ja.«
    Sie ruft ihn an. Das lang gezogene wieder- und wiederkehrende Freizeichen. Dann antwortet die Mailbox. Sie verflucht ihn, während die automatische Ansage seine Nummer spricht. Bevor das Piepsen der Mailbox erklingt, legt sie wieder auf. Sie starrt ihr Handy an, das unerwartet zu klingeln anfängt. Frieder.
    »Hallo, sorry. Was gibt es?«, fragt er betont harmlos.
    »Warum bist du nicht rangegangen?«, fragt sie misstrauisch zurück. Sie versucht sich das Handy in ihre Halsbeuge zu klemmen, um aus ihrer Tasche eine Zigarette zu kramen.
    »Ich habe das Handy nicht so schnell finden können.«
    »Sie ist bei dir«, sagt sie und stopft sich dabei ihre Ziga­rette in den Mund.
    Er zögert, die Leitung knackt, und gerade als sie fragen will, ob er noch dran ist, erwidert er: »Nein.«
    Sie wühlt weiter nach ihrem Feuerzeug. »Du lügst.« Die Flamme ihres Feuerzeugs leuchtet vor ihren Augen.
    »Ach komm.«
    Tief inhaliert sie das Nikotin. »Können wir uns treffen?«
    »Jetzt?«
    »Wann denn sonst?« Sie stößt den Rauch wieder aus.
    »Ich kann leider nicht. Morgen vielleicht?«
    »Morgen ist es zu spät.«
    »Was ist morgen zu spät?«, fragt er irritiert.
    Sie antwortet nicht, stattdessen legt sie einfach auf. Wahrscheinlich ist er gerade mit seiner Frau zusammen. Er legt ihr vermutlich in diesem Moment den Arm um die Schultern, zieht sie zu sich und küsst sie. Sie wird ihn fragen, wer das gewesen sei, er wird abwinken und »Ach niemand« antworten. Ihr wird übel, sie schließt die Augen, reißt sie wieder auf, schließt sie wieder fest, um das hässliche Bild der beiden aus ihrem Kopf zu verdrängen. Sie weiß plötzlich, was sie zu tun hat. Sie dreht sich um. Geht den Weg wieder zurück. Sie wird heute Nacht nicht alleine nach Hause gehen. Ihre Strümpfe werden nass, saugen sich voll mit dem dreckigen Pfützenwasser, in das sie hineintritt, weil sie nicht mehr auf den Weg achtet.
    Mit einem Stoß öffnet sie die Schwingtür. Oranges Licht im Zigarettendunst. Eine lärmende Ge­räusch­kulisse. Schräger, lauter Rock ’n’ Roll. Die Kasse versucht sie zu ignorieren und läuft daran vorbei. Der tätowierte Typ im Unterhemd hält sie am Oberarm fest. Sie dreht ihren Kopf, lässt sich willenlos wieder nach hinten ziehen. Der Kerl sitzt breitbeinig auf einem Barhocker. Er deutet auf das Schild, auf dem mit Kugelschreiber krakelig »Fünf Euro« geschrieben steht. Sie schmiegt sich an seinen Oberschenkel und piekt ihm in sein muskulöses Bein.

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