Tessa
ihr. Sie holt eine Bierflasche hervor und legt sie vorsichtig zu den wenigen anderen Flaschen in ihrem Fahrradkorb. Die Kleidung der Frau ist ordentlich, sie sieht gewaschen aus, stinkt nicht. Das Bild ist irritierend, und Tessa muss ihren Blick fortreißen.
Als sie endlich Uwes Straße erreicht, ist sie erleichtert, da das metallene Geräusch ihres Absatzes, das sie die letzten Meter begleitet hat, an ihren Nerven kratzt. Sie bleibt stehen, hebt ihren weinroten Lederstiefel und sieht sich den Schaden an. Das Leder der Absätze ist abgeschabt, und anstelle der Plastiksohle sieht sie das darunter liegende Eisen. Sie wird noch eine Weile auf ihnen laufen können. Kein Koks heute. Sie hört ein Geräusch und fährt herum. Sie muss nur noch ein paar Häuser laufen. Die Gegend ist dunkler hier. Weniger Straßenlaternen. Keine Menschenseele ist zu sehen. Verlassen ein Spielplatz zu ihrer Linken. Ihre Absätze klacken laut auf den Gehwegplatten. Und sie glaubt ein weiteres Paar Schuhe zu hören. Sie bleibt kurz stehen. Angst ergreift sie. Das andere Geräusch verstummt. Sie läuft weiter und beschleunigt ihre Schritte. Fängt an zu rennen. Nur wenige Meter trennen sie von Uwes Haustür. Die Büsche, die das letzte Stück des dunklen Weges säumen, ragen bedrohlich in der Dunkelheit auf. Vor der Tür sieht sie sich um. Sie ist darauf gefasst, eine Gestalt hinter sich zu erblicken, aber sie ist allein. Sie klingelt aufgeregt. Nur etwas Wein trinken. Der Türöffner summt. Sie rennt die Treppenstufen hinauf und bemüht sich um Gelassenheit. Eine junge Frau mit langen blonden Haaren öffnet und zieht sie lachend in Uwes Flur. Sie hat einen verkrampften Zug um ihren Mundwinkel und hält ein Weinglas in der Hand. Der warme, vertraute Geruch in Uwes Wohnung umnebelt ihren Kopf, der Sauerstoff scheint fast aufgebraucht. Unsicher bleibt sie im Flur stehen. Uwe sitzt breitbeinig mit einem dunklen Bademantel auf einem Stuhl in seiner Küche, in der Hand hält er ein dünnes Metallröhrchen. Er legt seinen Kopf schief und schaut sie an. Locker hebt er seine Hand mit dem Röhrchen. Sie zögert kurz, erkennt eine ordentlich gezogene Line auf dem großen Spiegel vor ihm. Sie strafft den Rücken. Und geht die Schritte. Nimmt das Röhrchen, beugt ihren Kopf und zieht das Kokain geräuschvoll hoch. Augen schließen. Sie legt den Kopf in den Nacken. Spürt das Koks sich in ihrem Blut ausbreiten. Sie öffnet wieder die Augen und sieht Uwe und das Mädchen erwartungsvoll an.
Tessa versucht ihre Augen aufzuschlagen, doch verklebte Wimpern hindern sie daran. Sie hebt ihren schweren Arm, führt die Hand ins Gesicht und piekt sich versehentlich mit dem Zeigefinger in den Augapfel. Eine rote Landschaft türmt sich vor ihr auf. Schmerzerfüllt kneift sie die Augen fest zusammen. Farbspektren. Sie versucht vorsichtig, den angetrockneten Schleim aus den Augen zu reiben. Ihr Herz pocht und donnert gegen die Brust. Es ist dunkel, die Fenster sind mit schwarzen Decken verhängt. Ihre Blase drückt. Sie ist eingequetscht zwischen zwei Körpern. Sie sieht in Uwes zerfurchtes Gesicht und schütteres Haar, er liegt mit offenem Mund neben ihr, und ihr wird übel von seinem schlechten Atem. Sie hebt die Decke und muss feststellen, dass Uwe nackt ist und sie auch. Ein langes, schlankes Bein liegt auf Tessas Oberschenkeln. Sie neigt ihren Kopf zur anderen Seite. Blondes Haar. Geschlossene Lider. Gleichmäßiges Atmen. Das Mädchen vom gestrigen Abend. Auch sie ist nackt, doch Tessa hat keine Erinnerungen an die letzte Nacht.
Vorsichtig kraucht Tessa aus dem Bett. Sie greift nach ihren auf dem Boden liegenden Klamotten, geht leise ins Badezimmer und schließt die Tür. Die Lüftung springt an. Ihre Sachen lässt sie fallen. Sie öffnet den Klodeckel, setzt sich und leert ihre Blase. Der warme Geruch von Sperma trifft ihre Nase. Ihre Beine fangen an zu zittern. Ekel. Was ist passiert? Sie springt hastig auf. Erinnerungsfetzen. Uwes Gesicht über ihrem. Sie sieht einen Moment in die Kloschüssel. Urin tropft weiter ihre Oberschenkel hinab, als sie in die Kloschüssel kotzt. Tränen laufen über ihre Wangen. Hastig zieht sie ihre Klamotten an. Sie spült den Mund mit lauwarmem Wasser. Wischt sich die Mascaraspuren aus dem Gesicht und vermeidet einen genaueren Blick in den Spiegel. Leise verlässt sie das Bad. Im Wohnzimmer sucht sie nach ihrem Mantel und den Stiefeln. Ihr Blick fällt auf den Tisch. Ein Haufen Scheine liegt dort ordentlich getürmt. Sie dreht
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