Tessy und das Echo des Todes (Erotischer Krimi) (German Edition)
die Brauen. Er hatte die Herlitt-Akte am frühen
Morgen in aller Eile durchgelesen und einige Fotos der bislang Vernommenen und
Befragten in seinem Handy gespeichert. Er griff nach seinem Phone und öffnete die
Foto-App.
* * *
Carola machte sich nichts vor. Die Spur, die zu Brandner
führte, war rein faktentechnisch betrachtet sehr dünn. Ihre Schlussfolgerung,
dass Brandner einen Killer beauftragt hatte, der Tessy ausgeschnüffelt und
entführt hatte, um sich an ihr zu rächen, lag in Kenntnis der Vorgeschichte zwar
auf der Hand. Ebenso der Verdacht, dass er die Einzelheiten und den Kontakt
über seinen Anwalt hatte organisieren lassen.
Aber eine Schlussfolgerung und ein Verdacht blieben blanke
Theorie, wenn nicht die entsprechenden Beweise und Fakten sie unterstützten,
und allein die Tatsache, dass Brandner und Miron Schowinsky vor zehn Jahren
miteinander zu tun gehabt hatten, reichte nicht aus, um beispielsweise
Brandners Anwalt auf den Pelz zu rücken. Ohne Durchsuchungsbeschluss würde der
sich grinsend zurücklehnen und jegliche Zusammenarbeit verweigern, und wenn es
schlecht lief, hatte Tessy höchstens noch einige Stunden zu leben.
Carola hatte gerade mal eine Stunde geschlafen. Es war
früher Morgen. Sie duschte und zwang sich zu einem kleinen Imbiss, während sie
über den zurückliegenden Brandner-Fall nachgrübelte.
Tessy hatte seinerzeit immer wieder betont, wie gefährlich
der Geschäftsmann war. Ihren Zeugen, der damals entscheidendes Material zur
Verfügung stellen konnte, hatte sie nicht preisgegeben, sondern hinter einer
erdachten Story auch vor der Polizei versteckt. Später hatte sie erwähnt, dass
er so schlau gewesen war, nicht nur Berlin, sondern Deutschland zu verlassen.
Es war nicht auszuschließen, dass es Brandner auch darum ging, die Identität
dieses Mannes herauszubekommen, um ihm ebenfalls den Garaus zu machen.
Andererseits schien es schlüssig, dass die Rache an Tessy im Fokus seines
Hasses stand. Ein Frauenquäler wie Brandner ließ sich doch nicht von einer Frau
an der Nase herumführen. Genau das hatte Tessy getan, mehr noch: Sie hatte ihn
komplett verarscht. Und wenn sich in ihrer Wohnung auch nur der kleinste
Hinweis darauf befand – zum Beispiel in ihrem Computer –, war sie aufgeflogen.
Tessy sicherte ihre Dateien und den Zugriff zu ihrem PC, da
war Carola ganz sicher, nur: Wie einfach es war, eine Festplatte zu infizieren,
hatte sie bei Henrik Bäumler eindrucksvoll erfahren.
Carola griff zum Telefon und rief in der JVA Tegel an, um
ihren Besuch anzukündigen. Egal wie – sie musste Brandner zum Reden bewegen.
Ein zweiter Anruf galt der PI, wo sie erfuhr, dass Heiko Schneider bereits in
Sachen Pizza-Mann unterwegs war. Sie ließ sich mit dem Einsatzdienst verbinden
und kommandierte einen verdeckten Ermittler ab, der Brandners Anwalt
observieren sollte. Unter Umständen würde sie für diese eigenständige Aktion
jede Menge Ärger bekommen, aber unter Umständen musste gerade ihre Geliebte
sterben … Carola schloss die Augen. Ein heftiges Zittern durchfuhr sie.
Schließlich ballte sie die Fäuste und machte sich auf den Weg.
Hugo Georg Brandner schien die Untersuchungshaft bislang
nicht allzu viel ausgemacht zu haben. Allenfalls hatte er ein paar Pfund
abgenommen, aber sein raspelkurzes dunkelblondes Haar wirkte gepflegt, und in
dem schmalen, markanten Gesicht blitzten hellwache, grüne Augen. Der Mann war
Mitte Vierzig, ging aber gut und gerne für zehn Jahre jünger durch. Sein
Lächeln schwamm in Selbstgefälligkeit. Wahrscheinlich konnte er gerade noch so
an sich halten, sich nicht die Hände zu reiben und der Kommissarin frech ins
Gesicht zu grinsen.
Natürlich war ihm klar, dass die Vernehmung in der JVA eine
unmittelbare Folge des Videos war, das Carola erhalten hatte, und noch klarer
war ihm, dass man ihm nichts nachweisen konnte. Carola setzte sich ihm
gegenüber und legte ihren Notizblock auf den Tisch. Brandner dürfte nicht so
naiv sein, dass er sich ein gutes Geschäft mit dem Staatsanwalt erhoffte –
mildernde Umstände gegen Tessys Leben oder so was in der Art. Keine
Justizbehörde würde sich darauf einlassen, jedenfalls nicht in Deutschland, das
wusste er. Der Mann wollte nichts anderes als seine Rache auskosten, und bisher
stand es eins zu Null für ihn.
"Guten Morgen, Frau Kommissarin", grüßte er
leutselig. "Sie sind aber früh unterwegs."
Carola nickte nur beiläufig und nahm ihren Stift zur Hand.
"Was führt Sie denn hierher?"
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