Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
du dir sparen.“
„Warum sollte ich? Ich habe andere Ansatzpunkte als die Polizei.“
„Tatsächlich?“ Er grinste frech.
Für einen Moment war Tessy versucht, auf den Laptop von Moritz Sigfeld hinzuweisen, dann entschied sie sich dagegen. Ohne einen handfesten Beweis würde Dirk damit wenig bis gar nichts anfangen können und wieder nur abwinken oder ihr einen Vogel zeigen.
„Frag dich mal lieber, warum deine Freundin dir diesen Auftrag erteilt hat“, riet er ihr.
„Das Argument mit der Lebensversicherung erschüttert mich nicht.“
Dirk wandte sich achselzuckend ab und ging weiter den Parkweg herunter. Tessy blieb neben ihm. Zwei Radfahrer überholten sie. Einen Moment schwiegen sie beide. Plötzlich berührte er ihre Hand. Sie zuckte zusammen und bedauerte, dass er sie eilig zurückzog.
„Ein Insolvenzverfahren, das abgewendet werden konnte, und zwei Neugründungen“, sagte er leise. „Ganz normale Geschäftsvorgänge, die die Firma zuhauf betreut. Wir haben nachgehakt – du kannst mir glauben, dass da nichts ist.“
„Gar nichts?“
„Nein.“
„Na dann verrat mir mal, was es bei solchen Firmen zu klauen gibt? Kleine oder meinetwegen auch etwas größere Beraterverträge? Und weil das auffliegen könnte, nimmt Patrick sich das Leben?“
Dirk blieb erneut stehen. Tessy wandte sich um und starrte ihn an. „Merkst du denn nicht, dass es da um etwas ganz anderes geht?“
Hanter zuckte mit keiner Wimper und erwiderte ihren Blick gelassen. Wieder berührte er ihre Hand, und diesmal zog er sie nicht zurück.
„Selbst wenn ich deine Ansicht teilen würde oder zumindest skeptisch wäre – es gibt keinerlei Beweise für diese Hypothese. Nicht mal gesicherte Indizien, die eine weitere polizeiliche Ermittlung rechtfertigen würden. Außerdem wissen wir nicht, was auf der Festplatte war. Und dass Patrick Riemers Persönlichkeit durchaus einige Untiefen gehabt haben könnte, wirst du nicht ernsthaft abstreiten wollen. Vielleicht war er wesentlich labiler, als viele ihm angesehen haben - und ihm ist schlicht eine Sicherung durchgebrannt.“
Tessy biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie ehrlich war, konnte sie dieses Argument nicht völlig von der Hand zu weisen. Dennoch ...
„Lust auf ein Bier? Oder ein Glas Wein?“ Dirk lächelte.
Ihr Herz machte einen Hüpfer. Vielleicht war er gar nicht mehr in so festen Händen oder seine Bedenken gegen bisexuelle Frauen waren dabei, sich zu verflüchtigen …
„Durchaus.“
„Ich hab’ gleich noch einen Besprechung und hätte danach Zeit.“
„Ich auch.“ Sie hob das Kinn. „Ich muss allerdings das Haus hüten – die Katzen vereinsamen sonst.“ Das war eine dreiste Lüge.
Hanter zog seine blauen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Mach einen Vorschlag.“
„In zwei Stunden bei mir“, sagte sie nach kurzem Zögern.
Dirk zögerte ebenfalls. Zwei Sekunden länger als sie. Dann nickte er. Tessy lächelte. „Rotwein wäre klasse.“
Kapitel 11
Dirk war pünktlich. Er hatte französischen Rotwein, Cracker und Käse dabei, und sie setzten sich an den kleinen Esstisch im Wohnzimmer. Durch das offene Fenster drang laue Abendluft herein. Sie machten brave Allerweltskonversation, Berufliches wurde ausgeklammert. Dirk war charmant, aber in der Sparte geistreicher Unterhalter würde er ähnlich wie Tessy keinen vorderen Rang belegen. Dafür folgte der Blick seiner blauen Augen jede ihrer Bewegungen. Tessy spürte ein Kribbeln im Nacken. Und unterhalb des Bauchnabels. Von dort bereitete es sich in warmen Wellen in die Tiefe aus.
Sie stand abrupt auf, trat hinter ihn und legte ihre Hände auf seine Schultern. „Was ist, Herr Kommissar? Wir sind beide keine Plauderfreaks. Lust auf ein bisschen Nähe?“
Er legte den Kopf in den Nacken und sah sie ernst an. „Du bist verdammt forsch.“
„Das höre ich häufiger. Was dagegen?“
„Hm. Es verunsichert mich ein wenig.“
„Das macht nichts.“
Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Na schön. Hör zu, ich weiß, dass du auch mit Frauen schläfst …“
Sie lächelte. „Und? Verunsichert dich das auch?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich kann es ja verstehen, aber es gefällt mir nicht.“
„Ach so. Wirst du denn damit fertig?“ Das klang leicht spöttisch.
Er zog sie statt einer Antwort in seine Arme, und sie genoss die Nähe. Er roch gut, es war angenehm, seinen Herzschlag und sein kratziges Gesicht zu spüren. Tessy schlang ihre Arme um seinen Rücken und
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