Tessy und die Zärtlichkeit des Kommissars
Patrick. Ich hätte da vielleicht noch eine Idee, wenn du mit den üblichen Verfahren nicht weiterkommst“, erklärte eine männliche Stimme. „Meld dich mal. Ciao.“
Tessy sah Kerstin an, während sie die Aufzeichnung ein zweites Mal ablaufen ließ. „Kennst du den?“
„Nein. Die Stimme kommt mir jedenfalls nicht bekannt vor.“
Tessy notierte sich die Rufnummer und wählte sie über ihr Handy.
„PC-Service Michael Doschmann. Was kann ich heute für Sie tun?“
Dieselbe Stimme. Tessy lächelte. „Sie sind mir wärmstens empfohlen worden. Ich würde mich gerne mal vernünftig beraten lassen.“
„Jederzeit“, meinte Doschmann erfreut und nannte eine Adresse in Neukölln. Nicht gerade die schickste Gegend, aber preiswerte Mieten.
Tessy erklärte, sie würde mittags vorbeikommen und legte auf.
„Was versprichst du dir davon?“ fragte Kerstin. „Wahrscheinlich hat Patrick dort seinen PC gekauft oder Software oder was auch immer.“
„Kann sein.“ Tessy zog die Achseln hoch. „Vielleicht ist die Mühe umsonst, andererseits hat Patrick sich extra notiert, dass er mit dem Typen telefonieren wollte. Außerdem will ich wissen, was es mit den üblichen Verfahren auf sich hat.“
Neukölln, Herrfurthstraße Ecke Hermannstraße – gegenüber dem Rollbergviertel, dem sozialen Brennpunkt in Neukölln: Betonklötze, Arbeitslosigkeit, viele Jugendliche aus türkisch- oder arabischstämmigen Familien, Perspektivlosigkeit, hohe Kriminalitätsrate. Keine Gegend, in der Tessy spät abends allein unterwegs sein wollte.
Michael Doschmanns PC-Laden war im Souterrain eines Geschäftshauses untergebracht, neben ihm eiferten ein türkischer Obst- und Gemüsehändler, ein Billigladen mit 1-Euro-Artikeln und zwei Spielhallen, in denen wenig los war, aber sicherlich dennoch hohe Gewinne anfielen – sprich Schwarzgeld gewaschen wurde – um die Gunst der Laufkundschaft. Die Hermannstraße war vollgestopft mit Lieferwagen und Autos, die in der zweiten Reihe parkten; Getöse und Abgase. Tessy war froh, in einer Seitenstraße einen Parkplatz ergattert zu haben.
Doschmanns Grinsen war so breit wie ein Scheunentor, und ähnlich war auch seine Statur. Er hatte Pranken, wie man sie eher bei einem Metzger vermuten würde, dafür jedoch dünnes hellblondes Haar, das straff über den Schädel gezogen war. Unter dem verschwitzten Shirt mit der Aufschrift All you need were bits and beat wölbte sich ein stattlicher Bauch. Tessy schätzte ihn auf Anfang bis Mitte Dreißig, und er war nicht der Typ Mann, den sie vor Augen hatte, wenn sie über ihren nächsten männlichen Sexualpartner nachdachte. Nach der letzten Nacht schon mal gar nicht.
„Sie sind ja von der ganz flotten Sorte“, bemerkte er, nachdem Tessy ihn begrüßt und ihren Anruf erwähnt hatte.
„Sagen wir – ich hatte Glück bei der Parkplatzsuche.“
„Oh, gratuliere.“ Er sah sie fragend an und war dann offensichtlich der Meinung, in punkto Smalltalk genug getan zu haben. „Was genau brauchen Sie denn? Und wofür?“ Er wies auf die neonfarbenen Regale, die mit Laptops, Software, Monitoren und diversem Zubehör voll gestopft waren.
„Tja, ich brauche zunächst mal eine externe Festplatte für meinen Laptop“, erklärte Tessy. Während der Fahrt war ihr die Idee gekommen, dass es sicherlich nicht schaden konnte, ihre Daten zukünftig professioneller zu sichern und zu schützen, als sie es bislang getan hatte.
Doschmann erklärte langatmig, was der Markt zu bieten hatte, doch bevor er anfangen konnte, Testberichte in fünf Sprachen herunter zu beten, entschied Tessy sich für ein mittelpreisiges Gerät inklusive eines simplen Backup-Programms. Er nickte anerkennend. „Gute Wahl. Was kann ich sonst noch für Sie tun?“
„Hm. Kennen Sie eigentlich Hickhack?“
Doschmanns Grinsen gefror innerhalb einer Nanosekunde. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Ich denke schon.“
Er fixierte sie kurz mit seinen blassblauen Augen. „Was wollen Sie?“
„Ihre Hilfe.“
„Hickhacks Zeiten sind vorbei. Ich weiß nicht, von wem sie den Namen haben, aber gleich vorneweg: Nein.“
„Von Patrick Riemer.“
„Patrick ist tot.“
„Ich weiß. Darum bin ich hier.“
„Was?“ Doschmann riss die Augen auf. „Wie darf ich das denn verstehen?“
Tessy verschränkte die Arme vor der Brust. „Wobei haben Sie ihm geholfen?“
„Was geht Sie das eigentlich an?“
Tessy lächelte. Das Überraschungsmoment war ausgereizt. „Ich ermittle die
Weitere Kostenlose Bücher