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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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Vor dem Eingang thronten zwei milde lächelnde Buddhas aus Sandstein. In die Glastüren war ein großes Om-Symbol eingraviert.
    Kieffer durchschritt zügig die Lobby und ließ sich vom Concierge den Weg zum »Revolución« beschreiben. Das Restaurant lag in der obersten Etage des Hotels. Der Luxemburger hatte in einem Magazin gelesen, dass die Einrichtung von Estebans Edelsteakhaus »exzentrisch-südamerikanisch« sei. Kieffer glaubte sich folglich vorbereitet. Als er aus dem Fahrstuhl stieg, verschlug es ihm dennoch den Atem.
    Direkt vor ihm befand sich ein dunkel gemaserter Tresen, der aus einem einzigen, riesigen Urwaldbaum gefräst zu sein schien und eine Breite von gut und gern zwölf Metern aufwies. Dahinter hing ein im Sowjetstil der Dreißigerjahre gehaltenes Ölgemälde. Es war derart wuchtig, dass es den Tresen beinahe klein erscheinenließ. Das Bild zeigte vier kantige Männerköpfe, die mit nach vorne gerecktem Kinn und der Zukunft zugewandten Augen dem Horizont entgegenblickten. Im Hintergrund wehte eine rote Fahne.
    Kieffer brauchte nicht lange, um die stilisierten Gesichter zu erkennen. Jeder Koch kannte sie. Ganz zur Linken befand sich Taillevent, der im 14. Jahrhundert »Le Viandier« geschrieben hatte, das erste Kochbuch in französischer Sprache – vielleicht überhaupt das erste derartige Werk auf der ganzen Welt.
    Daneben erkannte er die Hakennase Marie-Antoine Carêmes. Der Franzose war gewissermaßen der erste Starkoch gewesen. Erst hatte er als Leibkoch Talleyrands gedient, später Napoleon Bonaparte bekocht und danach für den russischen Zaren Alexander I. und Kaiser Franz I. von Österreich Galadinner ausgerichtet. Rechts von Carême war das Konterfei Georges Auguste Escoffiers abgebildet, jenes Genies, das im 19. Jahrhundert die französische Haute Cuisine, so wie man sie heute im Wesentlichen kennt, erfunden hatte.
    Der Maler hatte sich durchaus Mühe gegeben. Die drei Küchentitanen waren äußerst detailgetreu nachgebildet, angefangen bei den Gesichtszügen bis hin zu den Utensilien, mit denen man sie assoziierte. Taillevent hatte seinen mittelalterlichen Küchenfolianten unter dem Arm; der Vielschreiber und Rezeptfanatiker Carême war mit einem Federkiel dargestellt; und Escoffier hatte eine Wachsblume, sein liebstes Dekorationselement für festliche Diners, am Revers stecken.
    Der vierte Koch war Esteban.
    Jemand tippte Kieffer auf die Schulter. »Entschuldigen Sie bitte. Darf ich vorbei?« Offenbar betrachtete erden Ölschinken bereits eine ganze Weile und blockierte dabei die Lifttür. Er trat einen Schritt beiseite und warf einen letzten Blick auf das Bild. Der Maler hatte Estebans öliges Grinsen recht gut getroffen. Dann ging er zum Empfang. Dort war eine äußerst gut aussehende junge Dame gerade damit beschäftigt, über einen Touchscreen Reservierungen einzugeben.
    »Guten Tag, Madame.«
    »Guten Tag, Monsieur. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich bin um 14.30 Uhr mit Leonardo Esteban verabredet. Xavier Kieffer ist mein Name.«
    Ohne aufzusehen, tippte sie etwas in ihren Computer. »Monsieur Kieffer, bien sûr, er erwartet Sie. Das heißt, gerade ist er noch kurz in seinem Appartement.«
    Zur Erklärung fügte sie hinzu: »Hier im Haus, er besitzt eine Dauersuite. Es kann sich nur um wenige Minuten handeln, bis er zu Ihnen stößt. Bitte folgen Sie Janice, Sie wird Ihnen etwas zu trinken bringen.«
    Kieffer fand die Idee, sich mit einem Aperitif für den Auftritt des Pampa-Prinzen zu wappnen, ganz ausgezeichnet. Er folgte einer weiteren aparten jungen Dame, die sich neben ihm materialisiert hatte, ohne dass es ihm aufgefallen war. Die Kellnerin trug eine Art Uniform, die einem Mao-Anzug ähnelte. Sie geleitete ihn zur Bar.
    Kieffer setzte sich. Der Barkeeper nickte ihm freundlich zu. Er sah fast genauso aus wie die Kellnerin, der gleiche Chinesen-Anzug. »Darf ich Ihnen unseren Hauscocktail anbieten?«, fragte der Barmixer.
    »Und der wäre?«
    »La Propaganda Dulce. Champagner mit Erdbeermark, Angostura und einem Schuss Legui, das ist ein argentinischer Likör.«
    »Klingt verlockend, aber ich glaube, ein Ricard würde mir jetzt mehr helfen.«
    »Kommt sofort.«
    Während Kieffer seinen Pastis trank, hatte er Zeit, sich ein wenig umzuschauen. Abgesehen von dem albernen Revolutionsmotto und den viel zu üppigen Blumengestecken, die überall herumstanden, gefiel ihm Estebans Lokal gar nicht so schlecht. Kieffer bestellte einen weiteren Pastis und zündete sich eine Ducal an. Er

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