Teufelsfrucht
getrieben.
Kieffer ging einen etwa sechs Meter langen Gang entlang, vorbei an zwei Türen, hinter denen sich Vorratsräume verbargen. Auf diese Weise gelangte er zu einem größeren Raum mit gewölbter Decke. Dieser lag bereits vollständig im Fels. Vor vielen Jahren hatten die Stollen der Garnison als Pulverdepot gedient, nun fungierten sie als Kieffers Cave. Er ging an den Weinregalen vorbei, die den Großteil der Bodenfläche einnahmen, und stoppte vor einer kleinen Holztür, die etwas versteckt hinter dem Champagnerregal lag.
Er entriegelte das Schloss mit einem alten Eisenschlüssel und trat beherzt gegen die von der Feuchtigkeit etwas verzogene Tür. Dahinter lag ein kleiner Raum, nicht mehr als drei mal zwei Meter groß, in dem sich allerlei Gerümpel stapelte. Zwei angerostete Peugeot-Rennräder seines Vaters hingen an der Wand, auf einem in die Felswand geschraubten Regal standen diverse staubige Pokale. Verborgen unter einer alten, olivefarbenen Offiziersuniform der luxemburgischen Infanterie fand Kieffer, was er suchte: eine Schatulle aus Nussholz mit einem verzierten Messingverschluss. Darin befand sich die Dienstpistole seines Vaters. Die alte Glock war in ihre Einzelteile zerlegt, die einzelnen Metallstücke hatte sein alter Herr säuberlich in Öltücher eingeschlagen. Daneben lag eine Pappschachtel mit 100 Schuss Munition, Kaliber 9 Millimeter.
Er nahm die Pistole mit in die kleine Werkstatt, die sich in einem weiteren, angrenzenden Kellerraum befand. Sein Vater hatte bereits früh versucht, den kleinen Xavier für Waffen und Militaria aller Art zu begeistern, hatte ihn mit auf die Hasenjagd ins Eischtal genommen und dem Jungen seine Ausrüstung gezeigt. Pierre Kieffer war Leutnant der großherzoglichen Armee gewesen, wie vor ihm schon sein Vater. Für ihn war es deshalb selbstverständlich gewesen, dass auch sein Sohn Xavier eine militärische Laufbahn einschlagen würde.
Kieffer hatte sich nie sonderlich für Waffen interessiert, seinem Vater zuliebe aber versucht, zumindest ein bisschen Begeisterung für das Thema aufzubringen. Er war mit dem Alten auf die Jagd gegangen, und er hatte ihn manchmal zum Schießstand begleitet, den Pierre Kieffer bis zu seinem Tod jede Woche aufgesucht hatte, weil »ein Soldat immer ein Soldat bleibt und seine Fertigkeiten nicht einbüßen darf«.
Obwohl er die Glock seit mehr als 15 Jahren nicht in der Hand gehabt hatte, machte es Kieffer keinerlei Mühe, die Automatikpistole zusammenzusetzen. Mit seinem Vater hatte er die dazu notwendigen Handgriffe am heimischen Küchentisch geübt, jede Woche, wieder und wieder. Er war sich sicher, dass er die Glock auch heute noch mit verbundenen Augen würde zusammenbauen können. Auch das hatte sein Vater ihn hundertmal machen lassen.
Kieffer strich etwas Ballistol auf die eloxierten Metallteile und führte den Lauf durch den Schlitten. Dann setzte er die Feder ein und ließ das Oberteil auf dem Griffstück einrasten. Er zog den Schlitten mehrfach nach hinten und überprüfte den Abzug. Als er sich vergewissert hatte, dass die Glock funktionstüchtig war, legte er sie wieder in das Holzkästchen, nahm es mit nach oben und verstaute es unter seinem Beifahrersitz.
Bis nach Genf waren es über 600 Kilometer. Streckenweise war die Fahrt sehr mühsam, da die Straße sich vor allem auf der zweiten Hälfte seiner Reise durch die Berge wand. Mit dem Zug wäre die Reise erheblich bequemer gewesen – aber mit einer Halbautomatik und 100 Schuss im Gepäck blieb ihm kaum etwas anderes übrig, als mit dem Pkw zu fahren. Es war nun Mittwochmittag, und das Dinner sollte am kommenden Abend stattfinden.
Kurz hinter Metz griff Kieffer nach seinem Handy. Dann wählte er Estebans Nummer.
»Hola, acá habla Esteban!«
»Guten Morgen, Leo, hier ist Xavier. Hast du einen Moment Zeit?«
»Xavier! Fantástico, dass du anrufst, ché. Nur ganz falscher Zeitpunkt, mir kocht hier gerade die Suppe über.«
»Wie meinst du das?«
»Ich bin in Genf, wegen unseres Küchenzirkus, du weißt, ja? Está fatal, hier funktioniert nichts!«
»Was ist denn das Problem?«
»Die Party findet auf einem Schiff statt, das ist das verdammte Problem. Floating dinner nennen diese maricones das. Macht eine Menge her, sí, pero: Die Küche ist zu klein, die Laufwege der Kellner sind zu lang – das gibt morgen una catástrofe. Und Hambichler, ach, der versaut einfach alles. A la mierda!«
»Leo, ich …«
»Den hält nur noch der Koks auf den Beinen! Der kann
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