Teufelsstern
wenn dieses Tor existiert, solltet ihr eure Augen offen halten. Unter uns sind fünfhundert Quadratkilometer der ödesten und trockensten Wüste der Welt – nach meinen Informationen müsste euer Tor irgendwo hier zu finden sein.«
Professorin Joanna Chambers wohnte nur einen Kilometer von dem kleinen Flughafen entfernt, von dem aus regelmäßig Touristenflüge zu den Nazca-Linien starteten. Sie hatte eines der schönsten Häuser, die Matt je gesehen hatte, ein flaches weißes Gebäude mit einem grünen Ziegeldach und einer großen überdachten Veranda. Es stand in einem riesigen Garten, in dem Lamas frei herumliefen und zahlreiche Vögel die Luft mit ihren Farben und ihrem Gesang erfüllten. Das Grundstück war von einer niedrigen weißen Mauer umgeben. Die ganze Anlage vermittelte den Eindruck, als wären Besucher jederzeit willkommen.
Richard, Matt, Pedro und Atoc saßen im Esszimmer und verzehrten ein spätes Mittagessen aus kaltem Braten und gerösteten Yuca-Chips, die Kartoffeln ähnelten, aber süßer schmeckten. Der Raum hatte einen gefliesten Boden und einen Deckenventilator, außerdem führte er direkt auf die Veranda hinaus. Die Professorin saß an der Stirnseite des Tisches. Jetzt, während Matt sie genauer betrachten konnte, stellte er fest, dass sie eine große, männlich wirkende Frau war – allerdings nicht so unattraktiv, wie er zuerst gedacht hatte. Er konnte sie sich gut als Sportlehrerin in einer exklusiven Mädchenschule vorstellen. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt eine weiße Hose und ein großes weißes Hemd, das sie in den Hosenbund gesteckt hatte. In einer Hand hatte sie eine gekühlte Flasche Bier, in der anderen eine dünne Zigarre. Der Rauch hing in der Luft. »Es freut mich wirklich, euch kennen zu lernen«, sagte Professorin Chambers. »Willkommen in meinem Haus.«
»Nette Hütte«, murmelte Richard.
»Ich hatte Glück, dass ich es kaufen konnte. Ich habe mit meinen Büchern recht gut verdient. Sie handelten von Peru und vor allem von den Nazca-Linien.«
»Was sind die Nazca-Linien?«, fragte Matt.
Die Professorin zog an ihrer Zigarre, und die Spitze glühte auf. »Es wundert mich, dass du noch nichts darüber gehört hast«, bemerkte sie. »Zumal sie eines der größten Wunder der Frühzeit sind. Ich schätze, das hat alles mit den Sparmaßnahmen zu tun. Das englische Schulwesen! Bringen die euch gar nichts mehr bei?«
»Ich weiß auch nichts über die Linien«, gestand Richard.
»Nicht zu fassen!« Die Professorin fing an zu husten. Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier und lehnte sich zurück. »Ich werde euch keinen Geschichtsunterricht geben. Jedenfalls jetzt nicht. Erst einmal will ich mehr über euch wissen. Ich bekam einen Anruf von einem ganz besonderen Freund. Wie es scheint, wart ihr in Vilcabamba?«
Niemand sagte etwas, weil sie nicht sicher waren, wie viel die Frau wusste.
»Ich werde grün vor Neid!«, rief Professorin Chambers aus. »Ich weiß, dass die Inka überlebt haben. Sie betrachten mich als Freundin, und ich spreche oft mit ihnen. Aber ich war nie in ihrer verlorenen Stadt. Soweit ich weiß, hat sie bisher noch kein Außenstehender zu Gesicht bekommen – abgesehen von euch.« Sie nickte Matt und Pedro zu. »Sie müssen sehr viel von euch halten. Ich kann euch versichern, dass sie euch damit eine große Ehre erwiesen haben.«
»Die beiden sind Torhüter«, murmelte Atoc.
»Torhüter! Ja natürlich! Zwei der Fünf! Die Alten…«
»Darüber wissen Sie auch Bescheid?«, fragte Richard neugierig.
»Ich weiß eine ganze Menge, Mr Cole.« Sie beugte sich vor, nahm eine Weintraube aus einer Schale und warf sie aus dem Fenster. Ein großer Tropenvogel stieß herab und schnappte sie sich. »Ja, ich habe auch die Geschichten über den verrückten Mönch von Córdoba und seine Version der Geschichte gehört. Bisher war mir nicht klar, was ich davon halten sollte, aber nach allem, was passiert ist, sollte ich sie wohl glauben. Was ist nun mit dieser Seite, von der mir berichtet wurde? Der aus dem Tagebuch?«
Matt hatte sie in der Tasche. Er holte sie heraus und gab sie der Professorin. Sie überflog sie erst und las dann noch einmal langsamer. »Nun, ein Teil des Textes wurde mir schon per Telefon mitgeteilt. Einiges davon ist ziemlich eindeutig«, sagte sie. »Vor Qolga. Inti Raymi, das ist schon in zwei Tagen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich weiß allerdings nicht, was mit diesem weißen Vogel gemeint ist. Es könnte sich um einen Kondor
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