Teufelswasser
die Pfarrei Alt-Sankt-Anna wegen Schaffers Mauscheleien den Vertrag für die Lieferung des kirchlichen Blumenschmucks aufgekündigt hat, ist kurz darauf beim Institut vorstellig geworden, um einen Ersatzauftrag an Land zu ziehen. Sie wollte auf Empfehlung des geschäftstüchtigen Franz Schaffer zukünftig die Schlosskapelle mit ihrem Blumenzeug ausstatten. Frau Steinhag hat ausgesagt, dass Margarete Müller das Ansinnen rigoros abgelehnt habe, weil das Institut selber einen Gärtner beschäftige. Sie mag sich außerdem in der Pfarrei umgehört haben, jedenfalls muss sie wegen Schaffer ziemlich verärgert gewesen sein. Frau Müller war wohl der Ansicht, Schaffer wolle das Säkularinstitut ausnutzen.»
«Ich denke mal, Franz Schaffer war auch sauer auf sie», schloss Lürmann daraus.
«Deshalb hab ich ihn vorgeladen.» Glaser blickte auf seine Armbanduhr. «Er dürfte bereits vorne im Vernehmungsraum sein. Das erledigen wir noch vor dem Mittagessen.»
Laubmann hätte das Mittagessen gegebenenfalls vorgezogen, fügte sich aber der Anordnung. Doch er musste zu seinem Bedauern erfahren, dass er im Vernehmungsraum nicht erwünscht war. Daraufhin hatte er wohl so unglücklich dreingeschaut, dass ihn Glaser kurzerhand in den Nebenraum bugsierte.
Diese räumliche Anordnung kannte er schon aus Bad Kissingen: Eine einseitig verspiegelte Glasfront war in die Trennmauer eingefügt. Er sah also, was nebenan vor sich ging, konnte sogar über einen Lautsprecher mithören, jedoch nicht eingreifen. Die Gegensprechanlage zu betätigen, war ihm strikt verboten worden. Er fühlte sich nicht nur wie aus-, sondern auch wie eingeschlossen. Da hatte es ihn nicht einmal getröstet, dass ihm Ernst Lürmann noch schnell eine Fotokopie in die Hand gedrückt hatte: eine Vergrößerung der Doppelseite aus Lürmanns himmelblauem Notizbuch, worauf die Aufzugs- und Abstellkammer hinter dem Hochaltar in der Kirche Alt-Sankt-Anna skizzenhaft erfasst war.
Der Beamte in Zivil, der Franz Schaffer bewacht hatte, nickte den Kommissaren, als sie den Vernehmungsraum betraten, stumm zu und setzte sich halbrechts hinter den zu vernehmenden Mesner. Der Raum war kahl, mit einem grauen Anstrich versehen und künstlich erleuchtet. Eine beruhigende Atmosphäre sollte erst gar nicht entstehen. Über der Tür hing eine metallisch glänzende runde Uhr mit einer Plexiglasscheibe. 11 Uhr 37. Ansonsten war der Vernehmungsraum nur mit einem Tisch und hellen Hartplastikstühlen ausgestattet.
Schaffer wirkte verstört. Er saß den Kommissaren im vorgeschriebenen Abstand von gut eineinhalb Metern am Tisch gegenüber und somit seitlich zu Laubmann, der hinter dem Spiegel wartete. Der sah den Mesner also nur im Profil. Ein «flaches» Profil; nichts stach markant hervor. Nur die starken, ungepflegten Hände fielen ihm auf. Die waren allemal kraftvoll genug für einen Mord.
Ein Aufnahmegerät stand auf dem Tisch bereit. Glaser schaltete es ein, bog die Mikrophone etwas nach unten und überließ Lürmann die Formalitäten. Dieser betete Datum, Uhrzeit sowie die Namen und Dienstgrade der Anwesenden herunter. Zudem wurde der Mesner Franz Schaffer von ihm belehrt, dass er die Aussage verweigern könne und dass er sich oder seine Angehörigen nicht beschuldigen müsse. Falls erwünscht, könne er einen Rechtsbeistand hinzuziehen.
Laubmann gähnte.
«Warum bin ich überhaupt hier?», empörte sich Schaffer.
«Weil Sie verdächtigt werden, Margarete und Reinhold Müller getötet zu haben», stellte Glaser formal und ohne Umschweife klar.
Franz Schaffer erschrak.
«Sie haben kein Alibi für die Tatzeit des Mordes an Reinhold Müller.»
Der Mesner versuchte durchzuatmen. «Für wann …?»
«Für den Nachmittag des vergangenen Freitags.»
«Und Frau Holzmann? – Ich war doch in der Kirche.»
«Frau Holzmann weiß davon nichts.»
«Und woher hätte ich dann wissen sollen, dass sie in der Sakristei geputzt hat?»
«Weil sie das jeden Freitag um die gleiche Zeit macht.»
Lürmann war dran. «Wo waren Sie zwei Tage zuvor, am Mittwoch, dem 11. April, so gegen 22 Uhr?»
«Bei mir verläuft ein Abend wie der andere. Zu Hause werd ich gewesen sein. Wie immer. Ich hab ferngesehen.» Schaffer strich sich durch die fettigen Haare.
«Sie leben allein?»
«Völlig. Und nachts ist meine Anwesenheit in der Kirche nur ganz selten erforderlich; höchstens an Weihnachten oder während der Osternacht.» Mesner Schaffer verlegte sich auf einen mitleidigen Ton. «Ich hatte doch nichts
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