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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Stunden miteinander gesprochen. Ich dachte, du wolltest nicht mehr so viel Geld für Ferngespräche ausgeben.«
    Die Hörner pochten, als befänden sie sich in einem Zustand sinnlicher Erregung.
    »Ich werde dann nicht mehr so viel Geld für Ferngespräche ausgeben, wenn ich dich nicht mehr jeden Tag anrufen muss«, erwiderte Ig mit der Stimme von Sally in Boca Raton. »Wann ziehst du endlich hierher? Die Warterei bringt mich um.«
    »Es geht nicht«, sagte der Ladenbesitzer. »Das weißt du doch. Hast du eine Ahnung, was es kosten würde, Wendy in ein Heim zu geben? Von was sollen wir dann noch leben?« Das Freizeichen summte weiter.
    »Wer hat denn gesagt, dass wir wie die Rockefellers leben müssen? Ich brauche keine Austern. Thunfischsalat genügt mir völlig. Du willst warten, bis sie stirbt, aber was ist, wenn ich als Erste dran bin? Was bleibt uns dann? Ich bin keine junge Frau mehr und du kein junger Mann. Bring sie irgendwohin, wo sich jemand um sie kümmert, und dann setz dich in ein Flugzeug und komm hierher, wo sich jemand um dich kümmert.«
    »Ich habe ihr versprochen, dass ich sie nicht in ein Heim bringen werde, solange sie lebt.«
    »Sie ist nicht mehr dieselbe Frau, der du dieses Versprechen gegeben hast, und ich habe Angst vor dem, was du anstellen könntest, wenn du bei ihr bleibst. Entscheide dich für
eine Sünde, mit der wir beide leben können, mehr will ich gar nicht. Ruf mich an, wenn du ein Ticket gekauft hast. Ich hole dich am Flughafen ab.«
    Ig unterbrach die Verbindung und entspannte sich; das schmerzhaft-wohlige Gefühl in den Hörnern ließ nach. Der Ladenbesitzer nahm den Hörer vom Ohr und starrte ihn verwirrt an. Das Freizeichen summte. Ig glitt lautlos zur Tür hinaus. Der Ladenbesitzer blickte nicht einmal auf; er hatte ihn längst vergessen.
     
    Ig machte ein Feuer im Kamin, öffnete dann die erste Weinflasche und nahm einen tiefen Schluck, ohne sie zuerst atmen zu lassen. Die Dämpfe stiegen ihm in den Kopf, und ihm wurde ganz schwindelig - als würde ihm jemand beim Liebesspiel die Hände um den Hals legen und ganz sanft zudrücken. Wahrscheinlich sollte er sich einen Plan zurechtlegen und entscheiden, wie er mit Lee Tourneau fertigwerden wollte, aber es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, während er ins Feuer starrte. Das ekstatische Zucken der Flammen zog ihn in seinen Bann. Ig genoss den Flug der Funken, die jedes Mal, wenn ein glühender Ast in sich zusammenfiel, emporstoben, und den leicht bitteren Geschmack des Weins - es war, als schälte jemand versiffte alte Tapeten von den Innenwänden seiner Seele. Er zupfte ruhelos an seinem Kinnbart, was sich gut anfühlte, und war froh, dass er ihn sich hatte wachsen lassen. Als Ig noch klein war, hatten alle seine Helden Bärte getragen: Jesus, Abraham Lincoln, Dan Haggerty.
    »Bärte«, murmelte er vor sich hin. »Ich bin mit Gesichtshaar gesegnet.«
    Er war bei der zweiten Flasche angekommen, als das Feuer anfing, ihm Dinge zuzuflüstern - es zeigte ihm Handlungsmöglichkeiten
auf, ermutigte ihn und erörterte mit einer leise zischelnden Stimme theologische Fragestellungen. Ig legte den Kopf schräg und hörte aufmerksam und völlig fasziniert zu. Hin und wieder nickte er zustimmend. Die Stimme des Feuers brachte einige äußerst vernünftige Argumente vor. Im Lauf der nächsten Stunde lernte Ig eine ganze Menge.
     
    Nach Einbruch der Dunkelheit öffnete er die Klappe. In dem davorliegenden Raum hatten sich bereits zahllose Gläubige versammelt und warteten auf das Wort ihres Herrn. Ig stieg aus dem Ofen herab, und der Schlangenteppich - mindestens eintausend waren es, die da übereinander und miteinander verflochten auf dem Boden lagen - teilte sich, so dass er zu dem Backsteinhaufen in der Mitte der Halle schreiten konnte. Er stieg auf den kleinen Hügel und ließ sich mit seiner Mistgabel und der zweiten Flasche Wein darauf nieder, um zu der lauschenden Menge zu sprechen.
    »Es ist ein fester Bestandteil unseres Glaubens, dass die Seele unserer besonderen Fürsorge bedarf, wird sie sonst doch zerrüttet und zugrunde gerichtet«, erklärte Ig. »Jesus selbst hat seinen Aposteln nahegelegt, sich vor dem zu hüten, der in der Hölle ihre Seelen zu zerstören trachtet. Ich verkünde euch heute, dass ein solches Schicksal mathematisch unmöglich ist. Die Seele kann nicht zerstört werden. Die Seele ist ewig. Wie die Zahl Pi ist sie ohne Anfang und ohne Ende. Wie die Zahl Pi ist sie eine Konstante. Pi ist eine

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