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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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irrationale Zahl, die sich nicht in Brüchen oder Wurzeln ausdrücken lässt. Ebenso ist die Seele eine irrationale, unteilbare Gleichung, die eine Sache auf der Welt perfekt abbildet: euch. Wenn sie vergänglich wäre, könnte der Teufel mit der Seele nichts anfangen. Und sie ist nicht verloren,
wenn sie der Obhut Satans anvertraut wird, wie so oft behauptet wird. Er weiß ganz genau, was er damit zu tun gedenkt.«
    Eine dicke braune Schlange wagte sich auf den Backsteinhaufen. Ig spürte, wie sie über seinen nackten rechten Fuß glitt, schenkte ihr jedoch keine Beachtung, sondern kümmerte sich um die spirituellen Bedürfnisse seiner Gemeinde.
    »Satan wird schon seit langer Zeit als der Widersacher bezeichnet, aber Gott fürchtet die Frauen noch mehr als den Teufel - und er hat guten Grund dazu. Sie, mit ihrer Macht, Leben in die Welt zu tragen, wurde wahrhaft nach dem Ebenbild des Schöpfers geschaffen, nicht der Mann. Und in jeder Hinsicht ist sie es, die es verdient, von den Menschen angebetet zu werden - nicht Jesus, dieser unrasierte Fanatiker, der das Ende der Welt herbeisehnte. Gott rettet - aber nicht jetzt, nicht hier. Seine Erlösung ist vorerst ausgesetzt. Wie alle Gauner verlangt er, dass ihr jetzt bezahlt und darauf vertraut, dass ihr später etwas dafür bekommt. Frauen dagegen bieten uns eine andere Form der Erlösung, eine, die unmittelbarer und erfüllender ist. Sie versprechen uns ihre Liebe nicht für eine ferne, unbestimmte Ewigkeit, sondern machen sie uns hier und jetzt zum Geschenk, häufig sogar denjenigen, die sie am wenigsten verdient haben. So war es auch in meinem Fall. So ist es bei vielen. Der Teufel und die Frauen haben sich von Anfang an gegen Gott verbündet - seit Satan in Gestalt einer Schlange zu jenem ersten Mann kam und Adam zuflüsterte, dass er wahres Glück nicht im Gebet finde, sondern in Evas Möse.«
    Die Schlangen zuckten und zischelten und kämpften um einen Platz zu seinen Füßen. Sie bissen einander und verfielen fast in einen Zustand der Verzückung.

    Die dicke braune Schlange, die zu Ig heraufgekrochen war, begann sich, um Igs Fessel zu winden. Er bückte sich, hob sie hoch und betrachtete sie näher. Von einem orangefarbenen Streifen auf ihrem Rücken abgesehen, hatte sie die Farbe abgestorbener, trockener Herbstblätter. Am Ende ihres Schwanzes befand sich eine staubige kleine Klapper. Außer in Clint-Eastwood-Filmen hatte Ig noch nie eine Schlange mit einer Klapper gesehen. Das Tier wehrte sich nicht, sondern musterte ihn aus goldfarbenen Augen, zerknittert wie Metallfolie, mit langen, geschlitzten Pupillen in der Mitte. Ihre schwarze Zunge schnellte hervor und kostete die Luft. Das kühle Material, aus dem ihre Haut bestand, schien nur ganz lose an dem darunter liegenden Muskel befestigt zu sein. Ihr Schwanz (aber vielleicht war es falsch, überhaupt von einem Schwanz zu sprechen; das ganze Ding war ein einziger Schwanz mit einem Kopf am vorderen Ende) hing über Igs Arm. Nach kurzem Zögern legte sich Ig die Viper über die Schultern, so dass sie ihm wie ein Schal oder eine offene Krawatte locker um den Hals hing. Ihre Klapper ruhte auf seiner Brust.
    Er starrte sein Publikum an und wusste nicht mehr, was er hatte sagen wollen. Anstatt fortzufahren, legte er den Kopf in den Nacken und trank einen Schluck Wein. Die Flüssigkeit brannte ihm im Hals und lief ihm wie eine süße Flamme den Rachen hinunter. Selbst Jesus hatte dieses teuflische Getränk geliebt, und er hatte gut daran getan - wie die Frucht aus dem Garten brachte es Freiheit und Wissen und den sicheren Ruin. Ig atmete Rauch aus und nahm den Faden wieder auf.
    »Schaut euch das Mädchen an, das ich geliebt habe und das mich geliebt hat - und wie es ihr ergangen ist! Sie hat das Kreuz Jesu um den Hals getragen und war der Kirche
treu ergeben, einer Kirche, die nichts für sie getan hat, außer ihr Geld vom Sammelteller zu nehmen und sie eine Sünderin zu schimpfen. Sie hat Jesus jeden Tag im Herzen getragen und jeden Abend zu ihm gebetet, und ihr seht, was es ihr gebracht hat! Der gekreuzigte Heiland? So viele haben um den gekreuzigten Heiland Tränen vergossen. Als hätte niemand sonst so sehr gelitten, wie er gelitten hat. Als wären nicht Millionen eines entsetzlicheren Todes gestorben - Millionen, an die sich keiner erinnert. Hätte ich doch nur zu Zeiten von Pilatus gelebt! Wie gern hätte ich ihm den Speer in die Seite gestoßen, ihm, der so stolz auf seine Schmerzen war. Merrin und ich waren

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