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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Straßenseite war der Himmel düster. Während Lee wartete, sang er ein Lied vor sich hin, das damals oft im Radio lief.
»Look at’em go-o-o«, sang er im Flüsterton, »look at’em ki-i-ick …« Ein paar Sterne waren herausgekommen. Er legte den Kopf in den Nacken, und zu seinem Erstaunen bewegte sich einer der Sterne in einer geraden Linie über den Himmel. Nach einem Augenblick wurde ihm klar, dass es ein Flugzeug sein musste oder vielleicht ein Satellit. Oder ein UFO! Eine großartige Vorstellung. Als er den Blick senkte, sah er sich dem Kater gegenüber.
    Er lugte mit den verschiedenfarbigen Augen zwischen den Maisstauden hervor und starrte Lee lange an; dieses Mal maunzte er nicht. Lee zog die Hand aus der Jackentasche, ganz langsam, um ihn nicht zu verschrecken.
    »He, Bud- dy!«, sagte er, wobei er die letzte Silbe betonte, als würde er eine Melodie trällern. »He, Bud- dy!«
    Als er die Sardinendose öffnete, knackte es metallisch, und der Kater flitzte zurück ins Maisfeld.
    »O nein, Buddy«, sagte Lee und sprang auf. Das war unfair! Er hatte alles so genau geplant - wie er den Kater mit einem freundlichen leisen Lied herbeilocken und dann die Dose vor ihn hinstellen würde. Er wollte heute Abend auch gar nicht versuchen, ihn zu berühren, sondern ihn in Ruhe fressen lassen. Und jetzt war er fort, ohne ihm auch nur eine Chance zu geben.
    Der Wind frischte auf, der Mais raschelte unruhig, und Lee konnte die Kälte durch seine Jacke hindurch spüren. Da stand er nun, zu enttäuscht, um sich zu rühren, und starrte mit ausdrucksloser Miene auf das Feld hinaus, als der Kater wieder auftauchte. Mit einem Satz sprang er auf den Zaun, drehte den Kopf und musterte Lee mit leuchtenden Augen.
    Lee war erleichtert, dass der Kater nicht davongelaufen war - ja, er war ihm geradezu dankbar. Er achtete darauf, keine abrupte Bewegung zu machen. Ganz vorsichtig näherte
er sich dem Kater, ohne ihn anzusprechen. Eigentlich erwartete er, dass er ins Maisfeld zurückspringen und wieder verschwinden würde. Stattdessen spazierte der Kater einige Schritte über den Zaun und sah ihn erwartungsvoll an. Als wollte er schauen, ob Lee ihm folgen würde - als rechnete er geradezu damit! Lee klammerte sich an einen der Pfosten und schwang sich auf den obersten Querbalken hinauf. Der Zaun wackelte, und wieder dachte Lee, dass er sich bestimmt davonmachen würde! Stattdessen wartete der Kater geduldig, bis der Zaun sich nicht mehr bewegte, und spazierte dann weiter, den Schwanz in der Luft, sein schwarzes Arschloch und die riesigen Hoden entblößt.
    Lee folgte ihm, die Arme zur Seite hin ausgestreckt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er ließ sich Zeit, weil er den Kater nicht verscheuchen wollte, und setzte bedächtig einen Fuß vor den anderen. Der Kater stolzierte in aller Ruhe weiter und führte ihn vom Haus weg. Die Maisstauden wuchsen bis dicht an den Zaun, und dicke trockene Blätter strichen Lee über den Arm. Er bekam einen furchtbaren Schreck, als einer der Querbalken unter ihm plötzlich wie verrückt wackelte, und er musste sich hinkauern und mit der Hand an einem Pfosten abstützen, um nicht hinunterzufallen. Der Kater wartete, bis er sich wieder erholt hatte, setzte seinen Weg aber auch dann nicht fort, als Lee langsam aufstand und den wackligen Balken hinter sich ließ. Stattdessen machte er einen Buckel und begann zu schnurren; sein Fell richtete sich auf. Lee war fast außer sich vor Aufregung - er war dem Kater so nahe gekommen, dass er ihn fast berühren konnte!
    »He«, hauchte er. Das Schnurren wurde lauter, und der Kater wölbte ihm den Rücken entgegen - es stand völlig außer Frage, dass er gestreichelt werden wollte!

    Lee wusste, dass er sich vorgenommen hatte, den Kater nicht anzufassen, nicht heute Abend, nicht bei ihrer ersten Kontaktaufnahme. Aber es wäre unhöflich gewesen, eine solche unmissverständliche Einladung abzulehnen. Vorsichtig hob er die Hand, um ihn zu streicheln.
    »He, Bud- dy«, flüsterte er, und der Kater kniff die Augen zusammen; alles an ihm strahlte wohlige Zufriedenheit aus. Dann öffnete er sie wieder und schlug zu.
    Lee zuckte zurück, und die Krallen sausten kaum einen Zentimeter vor seinem linken Augapfel durch die Luft. Der Zaun klapperte, Lees Beine gaben nach, und er fiel seitlich in den Mais.
    Der oberste Querbalken war nur etwas mehr als einen Meter vom Boden entfernt, aber unterhalb des Zauns fiel die Erde an dieser Stelle nach links hin ab, und so waren es

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