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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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fast zwei Meter. Die Heugabel, die zwischen den Stauden lag, hatte schon auf Lee gewartet, bevor er geboren worden war. Sie lag flach auf der Erde, und die geschwungenen, verrosteten Zinken ragten unmittelbar nach oben. Lee krachte kopfüber hinein.

KAPITEL 37
    Eine ganze Weile später setzte er sich auf. Der Mais flüsterte erregt im Wind, als ob er Lügenmärchen über ihn verbreitete. Der Kater war verschwunden. Es war finsterste Nacht, und als er hochblickte, sah er, dass die Sterne sich bewegten. Sie hatten sich alle in Satelliten verwandelt und rasten in den unterschiedlichsten Richtungen über den nächtlichen Himmel. Der Mond zuckte, sackte ein Stück ab, zuckte erneut - als wäre das ganze Sternenzelt in Gefahr, umzustürzen und das blanke Nichts dahinter zu enthüllen. Lee streckte die Hand aus, packte den Mond und schob ihn an seinen alten Platz zurück. Er war so kalt, dass Lees Finger taub wurden, als hätte er einen Eiszapfen angefasst.
    Er musste sich strecken, um den Mond zu reparieren, und während er dort oben war, blickte er auf den kleinen Winkel von West Bucksport hinab, in dem er wohnte. Er sah Dinge, die er vom Maisfeld aus unmöglich hätte sehen können - er sah die Dinge, wie der liebe Gott sie sah. Er sah seinen Vater die Pickpocket Lane entlangfahren und in die Schottereinfahrt biegen, die zu ihrem Haus führte. Auf dem Beifahrersitz stand ein Sixpack Bier, und eine kalte Flasche hatte er zwischen den Oberschenkeln. Wenn Lee gewollt hätte, hätte er mit dem Finger den Wagen von der Straße schnippen können, direkt in das Tannengehölz, das ihr Haus vom
Highway abschirmte. Er sah den Wagen auf der Seite liegen, während Flammen unter der Motorhaube hervorleckten. Die Leute würden sagen, sein Vater sei sturzbesoffen gegen einen Baum gerast.
    Die Welt unter ihm schien einer gänzlich anderen Ordnung anzugehören als er selbst, wie eine Modelleisenbahn mit ihren kleinen Bäumen, den Spielzeughäusern und den Spielzeugmenschen. Wenn er gewollt hätte, hätte er ihr Haus hochheben und auf der anderen Straßenseite wieder absetzen können. Er hätte es unter seiner Schuhsohle zermalmen, dieses ganze armselige Durcheinander mit einer einzigen Armbewegung vom Tisch fegen können.
    Etwas bewegte sich zwischen den Maisstauden, ein Schatten, der sich zwischen anderen Schatten hindurchschlängelte, und Lee erkannte den Kater. Ihm wurde klar, dass er sich nicht nur zu dieser gewaltigen Größe aufgerichtet hatte, um den Mond zu reparieren. Er hatte dem Streuner etwas zu fressen angeboten und war freundlich zu ihm gewesen, und das Miststück hatte ihn in Sicherheit gewogen, um dann überraschend nach ihm zu schlagen, so dass er vom Zaun gefallen war. Fast hätte der Kater ihn umgebracht, und jetzt spazierte er davon, als wäre nichts geschehen. Vielleicht hatte er Lee bereits vergessen, aber das durfte er nicht zulassen! Lee streckte seinen gewaltigen Arm aus - er kam sich vor, als stünde er auf dem Dach des Hancock Tower und schaute den Glasturm hinunter - und drückte den Kater mit seinem Finger in den Boden. Einen kurzen Moment lang, weniger als eine Sekunde, fühlte er, wie sich unter seiner Fingerspitze etwas Lebendiges wand, spürte er, wie die Katze davonzuspringen versuchte, aber es war zu spät, und er zerquetschte sie. Er spürte, wie sie wie eine leere Samenkapsel zerplatzte. Er drehte seinen Finger
langsam hin und her, so wie sein Vater es immer tat, wenn er eine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte. Während er die Katze tötete, empfand er die gleiche leise, gedämpfte Genugtuung wie manchmal, wenn er etwas farbig ausgemalt hatte.
    Nach einer Weile hob er die Hand und betrachtete sie; über seine Handfläche verlief eine Blutschliere, und ein Flaum schwarzen Fells klebte daran. Er roch an seinen Fingern; sie dufteten nach modrigem Keller und Sommergras. Der Geruch faszinierte ihn, er erzählte von der Jagd auf Mäuse in finsteren unterirdischen Orten und von den Freuden der Paarung im hohen Gras.
    Lee ließ die Hände in den Schoß sinken und starrte die Katze mit ausdrucksloser Miene an. Er kauerte wieder zwischen den Maisstauden, obwohl er sich nicht erinnern konnte, sich hingesetzt zu haben, und er war genauso groß wie vorher, obwohl er sich nicht erinnern konnte, geschrumpft zu sein. Der Kater war ein lebloses Bündel aus Fell, Knochen und Blut. Der Kopf saß ihm falsch herum auf den Schultern, als hätte jemand versucht, ihn wie eine Glühbirne herauszudrehen. Das unglückliche

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