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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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verrückt zu denken, du könntest - ihr könntet …«
    »Ich möchte mich nur umziehen, ja?« Sie zog die Tasche an sich.
    Merrin drehte sich um und stapfte davon; ihr enger Rock klebte an den Oberschenkeln. Sie durchquerte das Scheinwerferlicht, und für einen Moment wurde ihre Bluse so durchsichtig wie Wachspapier. Dann machte sie einen Bogen um die Kette herum und ging weiter in die Nacht hinein, den Schotterweg entlang. Bevor sie verschwand, schaute sie sich um und warf Lee einen sonderbaren Blick zu, eine Augenbraue hochgezogen und die Stirn gerunzelt. Das konnte eine Frage gewesen sein - oder eine Einladung. Folge mir. Dann war sie fort.
    Lee zündete sich eine Zigarette an und blieb neben dem Wagen stehen. Vielleicht sollte er ihr hinterhergehen. Aber er wollte nicht, dass Terry mitbekam, wie er in den Wald lief. Als Lee jedoch kurz darauf nach ihm sah, hatte sich Terry auf der Rückbank ausgestreckt und einen Arm über die Augen gelegt. Er hatte sich ganz ordentlich den Kopf angehauen, und an seiner rechten Schläfe prangte eine rote Schramme. Eigentlich war er schon vorher ziemlich durch den Wind gewesen, bekifft bis unter die Hutschnur. Es war schon seltsam, hier draußen in der Nähe der Gießerei zu sein, wo er Terry Perrish zum ersten Mal begegnet war, an jenem Tag, als er zusammen mit Eric Hannity den gefrorenen Truthahn in die Luft gejagt hatte. Da fiel ihm Terrys Joint ein, und er kramte in seiner Hosentasche herum. Vielleicht würden ein paar Züge ja dafür sorgen, dass sich Merrins Magen beruhigte und sie sich wieder einkriegte.

    Er beobachtete Terry noch eine Weile, doch als dieser sich nicht rührte, schnippte Lee seine Zigarette in das nasse Gras und schritt die Schotterstraße hinunter, ihr nach. Er folgte den Spurrillen um eine Kurve herum und einen Hügel hinauf, und da erhob sich vor ihm die Gießerei, eingerahmt von einem Himmel voller schwarzer Wolken. Mit ihrem turmhohen Schlot sah sie aus wie eine Fabrik, die errichtet worden war, um am Fließband Albträume zu produzieren. Das nasse Gras funkelte und schwankte im Wind. Vielleicht, so dachte er, war sie zu der verfallenen Festung aus schwarzen Ziegelsteinen hinaufgestiegen, um sich dort umzuziehen, doch dann hörte er aus der Finsternis links des Weges ihre Stimme.
    »Lee«, rief sie, und da sah er sie, knapp zehn Meter von ihm entfernt.
    Sie stand unter einem alten Baum, dessen Rinde sich ablöste und den Blick auf das tote weiße Holz darunter freigab. Sie war in seine graue Trainingshose geschlüpft, hielt jedoch Terrys Sportsakko an die nackte schmale Brust gedrückt. Ihr Anblick traf ihn wie ein Schlag, wie sie da ganz allein mit ihren blassen Schultern, den schlanken Armen und dem gehetzten Blick halbnackt im Wald stand und auf ihn wartete - sie war eine Wirklichkeit gewordene erotische Phantasie.
    Die Sporttasche stand vor ihr auf dem Boden, und ihre nassen Kleider lagen fein säuberlich zusammengelegt darin, obendrauf ihre Stöckelschuhe. Merrin hatte etwas in die Schuhe gesteckt - eine Männerkrawatte, so wie es aussah, mehrfach zusammengelegt. Wie gern sie doch Dinge zusammenlegte! Lee hatte manchmal das Gefühl, sie hätte ihn selbst im Laufe der Jahre in immer kleinere und kleinere Teile zusammengefaltet.

    »In deiner Tasche ist gar kein Shirt«, sagte sie. »Nur eine Trainingshose.«
    »Ach ja«, sagte Lee. »Hab ich ganz vergessen.« Er näherte sich ihr ganz langsam.
    »Verdammter Mist«, fauchte sie. »Dann gib mir eben dein Hemd!«
    »Du willst, dass ich mich ausziehe?«, entgegnete er.
    Sie versuchte ein Lächeln, brachte aber nicht mehr als ein ungeduldiges Schnauben zustande. »Lee - es tut mir leid, aber … ich bin einfach nicht in Stimmung für …«
    »Nein. Natürlich nicht. Du brauchst einen Drink und jemand, mit dem du reden kannst. He, ich hab Gras, falls du dich ein wenig entspannen möchtest.« Er hob den Joint hoch und lächelte. »Gehen wir zu mir nach Hause. Wenn du heute nicht in Stimmung bist, dann halt ein andermal.«
    »Was redest du da?«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. »Ich meine, ich bin nicht in Stimmung für schlechte Witze. Was hast du denn gedacht?«
    Er beugte sich vor und küsste sie. Ihre Lippen waren nass und kalt.
    Sie zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. Das Sakko entglitt ihr, aber sie fing es auf und hielt es sich wieder vor die Brust. »Was soll das?«
    »Ich möchte nur, dass es dir besser geht. Wenn du unglücklich bist, dann ist das zum Teil auch meine

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