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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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fürchtete sich vor den Menschen, deretwegen er gekommen war.
    Trotzdem stieg er aus. Was hätte er sonst tun sollen?
    Ein schwarzer Mercedes, den er nicht kannte, stand auf einer Seite der Einfahrt, dem Nummernschild nach ein Mietwagen von Alamo. Terrys Wagen. Ig hatte ihm angeboten, ihn am Flughafen abzuholen, aber Terry hatte gesagt, das sei Quatsch, er treffe erst spät ein und wolle einen eigenen Wagen haben. Außerdem könnten sie sich ja am Tag darauf sehen. Also war Ig stattdessen mit Glenna unterwegs gewesen und schließlich betrunken und allein hinter der alten Gießerei gelandet.
    Von seiner ganzen Familie fürchtete er sich am wenigsten vor Terry. Was auch immer Terry zu beichten hatte, wonach er sich insgeheim sehnen oder wofür er sich schämen mochte, Ig war bereit, ihm zu verzeihen. Das war er ihm schuldig. Vielleicht war er vor allem wegen Terry hier herausgefahren.
Als Ig das Wasser bis zum Hals stand, hatte Terry den Reportern jeden Tag Rede und Antwort gestanden und ihnen erklärt, die Ermittlungen gegen seinen Bruder seien völliger Unsinn, Ig sei gar nicht in der Lage, jemandem wehzutun, den er liebe. Wenn irgendjemand bereit wäre, ihm zu helfen, dachte Ig, dann Terry.
    Er stapfte über den Rasen zu Vera hinüber. Seine Mutter hatte den Rollstuhl so hingestellt, dass sie auf den langen grasbewachsenen Hang hinausblickte, der sich bis zu dem alten Holzzaun am unteren Ende erstreckte. Veras Ohr ruhte auf ihrer Schulter; sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Atem ging pfeifend. Als er sie so ruhig dasitzen sah, entspannte er sich ein wenig. Wenigstens würde er nicht mit ihr reden und sich anhören müssen, wie sie ihre geheimsten, schrecklichsten Sehnsüchte ausplauderte. Immerhin etwas. Er betrachtete ihr schmales, von Falten bedecktes Gesicht, und angesichts der Zuneigung, die er für sie empfand, krampfte sich sein Magen wieder zusammen. Wie oft hatten sie morgens zusammen Tee getrunken, Erdnussbutterkekse gegessen und Der Preis ist heiß geschaut! Sie hatte das Haar hinter dem Kopf zusammengebunden, aber es löste sich aus den Klammern, so dass ihr einige lange graue Strähnen über die Wangen fielen. Behutsam legte er seine Hand auf ihre - für einen Moment hatte er vergessen, was passierte, wenn er jemanden berührte.
    Seine Großmutter, so erfuhr er nun, hatte überhaupt keine Hüftschmerzen, sondern es gefiel ihr einfach, wenn Leute sie im Rollstuhl durch die Gegend schoben und sie von vorn bis hinten bedienten. Sie war schließlich achtzig Jahre alt und hatte sich auch einmal etwas verdient. Besonders gern kommandierte sie ihre Tochter herum, die offenbar der Meinung war, ihre Scheiße stinke nicht, nur weil sie
diesen abgehalfterten Blasmusikanten geheiratet hatte und seitdem mit den fetten Scheinen herumwedelte und weil ihr erster Sohn ein verkommener Scharlatan aus dem Spätprogramm war und der zweite ein verwahrloster Sexmörder. Gleichwohl war Vera der Meinung, dass Lydia es so schlecht nicht getroffen hatte, schließlich war sie nur eine billige Nutte gewesen, die das Glück gehabt hatte, sich einen B-Promi mit nostalgischer Ader anzulachen. Vera war noch immer erstaunt darüber, dass es ihre Tochter nach all den Jahren in Vegas zu einem Mann und einer Handtasche voller Kreditkarten gebracht hatte und nicht mit einer unheilbaren Geschlechtskrankheit im Gefängnis gelandet war. Insgeheim war Vera der Überzeugung, dass Ig wusste, was seine Mutter gewesen war - eine billige Nutte -, und dass er Merrin Williams vergewaltigt und umgebracht hatte, weil er wegen seiner Mutter einen krankhaften Hass auf Frauen entwickelt hatte. Freud hatte schon gewusst, was er da schrieb. Und die kleine Williams war natürlich auch nur eine berechnende Schlampe gewesen, die dem Jungen lediglich deshalb den Kopf verdreht hatte, weil sie es auf einen Ehering und das Geld von Igs Familie abgesehen hatte. In ihren kurzen Röcken und engen Tops war sie selbst kaum mehr als eine Hure gewesen, davon war Vera überzeugt.
    Ig ließ ihr Handgelenk los, als wäre es ein blankes Kabel, das ihm unerwartet einen Schlag versetzt hatte, stieß einen Schrei aus und taumelte ein paar Schritte rückwärts. Seine Großmutter regte sich in ihrem Stuhl und öffnete die Augen.
    »Ach«, sagte sie. »Du.«
    »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Warum hast du es dann getan? Ich hätte so gern noch etwas geschlafen. Da war ich wenigstens glücklich. Glaubst du etwa, ich freue mich, dich zu sehen?«

    Ig spürte

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