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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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wehtun konnte. Am liebsten hätte er sie mit seinen Fragen zur Verzweiflung getrieben. Gleichzeitig stand ihm aber auch ein Bild vor Augen: Merrin, wie sie in einem Wirrwarr aus Bettlaken kniete, während grelles Licht durch die nur halb geschlossene Jalousie fiel und ein anderer Mann die Hände nach ihren nackten Hüften ausstreckte. Die Vorstellung erregte und erschreckte ihn gleichermaßen.
    »Ig«, sagte sie leise. »Bitte.«

    »Hör doch auf. Du verschweigst mir was! Etwas, was ich wissen muss. Ich will wissen, ob ihr schon miteinander geschlafen habt. Komm schon, sag’s mir.«
    »Nein.«
    »Gut. War er jemals hier? In deiner Wohnung, während ich dich aus New York angerufen habe? Saß er neben dir, mit einer Hand unter deinem Rock?«
    »Nein. Wir sind zusammen essen gegangen, Ig. Mehr nicht. Ab und an unterhalten wir uns. Meistens über die Uni.«
    »Hast du jemals an ihn gedacht, wenn wir miteinander schlafen?«
    »Himmel, nein. Warum fragst du so was überhaupt?«
    »Weil ich alles wissen möchte, jedes schmutzige kleine Geheimnis.«
    »Warum?«
    »Weil es mir dann leichter fällt, dich zu hassen«, sagte Ig.
    Die Kellnerin stand mit den bestellten Getränken neben dem Tisch, rührte sich aber nicht.
    »Was zum Teufel gibt’s da zu glotzen?«, fauchte Ig sie an, worauf sie unsicher einen Schritt zurückwich.
    Die Kellnerin war nicht die Einzige, die sie anstarrte. Auch die Gäste an den Tischen in ihrer Nähe musterten sie mit ernstem Blick, während andere, meist jüngere Paare, sie mit leuchtenden Augen ansahen und sich ein Lachen verkniffen. Nichts war unterhaltsamer als eine lautstarke Trennung in aller Öffentlichkeit.
    Als Ig sich wieder Merrin zuwandte, hatte sie sich erhoben und stand hinter ihrem Stuhl. Sie hielt seine Krawatte in den Händen. Sie hatte sie aufgehoben, nachdem er sie auf den Boden geschleudert hatte, und seither rastlos abwechselnd zusammengefaltet und glattgestrichen.

    »Wohin gehst du?«, fragte er und packte sie an der Schulter. Sie torkelte gegen den Tisch, ganz offensichtlich betrunken. Sie waren beide betrunken.
    »Ig«, sagte sie. »Mein Arm.«
    Erst da wurde ihm bewusst, dass er ihr seine Finger mit solcher Kraft in die Schulter gegraben hatte, dass er die Knochen spüren konnte. Es kostete ihn Mühe, die Hand zu öffnen.
    »Ich will nicht weglaufen«, sagte sie. »Ich möchte mich nur zurechtmachen.« Sie deutete auf ihr Gesicht.
    »Wir sind noch nicht fertig. Es gibt da noch eine ganze Menge, was du mir erzählen musst.«
    »Wenn es etwas gibt, was ich dir nicht erzähle«, erwiderte sie, »dann bestimmt nicht aus Gemeinheit. Ig, ich möchte dir nicht wehtun.«
    »Zu spät.«
    »Weil ich dich liebe.«
    »Das glaube ich dir nicht.«
    Er sagte es, um ihr wehzutun - er wusste wirklich nicht, was er noch glauben sollte -, und als er sah, dass es ihm gelungen war, verspürte er einen Schub wilder Erregung. Ihr stiegen die Tränen in die Augen, und sie musste sich auf dem Tisch abstützen.
    »Wenn ich dir etwas vorenthalten habe, dann um dich zu schützen. Ich weiß, was für ein guter Mensch du bist. Du hast etwas Besseres verdient als mich.«
    »Endlich etwas, bei dem wir uns einig sind«, sagte er. »Ich habe etwas Besseres verdient.«
    Sie wartete, dass er weitersprechen würde, aber er bekam keine Luft mehr und schwieg. Daraufhin wandte sie sich um und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge zur Damentoilette. Er trank seinen Martini aus und
schaute ihr nach. Sie sah in ihrer weißen Bluse und dem perlgrauen Rock verdammt gut aus. Ein paar Studenten drehten sich nach ihr um, dann sagte einer von ihnen etwas, und die anderen lachten.
    Ig hatte das Gefühl, dass ihm das Blut nur langsam und zähflüssig durch die Adern strömte. Seine Schläfen pochten. Er bemerkte nicht, dass ein Mann neben dem Tisch stand und »Sir« sagte, sondern nahm ihn erst wahr, als dieser sich zu ihm herunterbeugte und ihn direkt ansah. Er hatte die Figur eines Bodybuilders - sein weißes Tennishemd spannte sich über den Schultern. Kleine blaue Augen lugten unter einer knochigen Stirn hervor.
    »Sir«, sagte er noch einmal. »Wir möchten Sie und Ihre Frau bitten zu gehen. Wir können nicht zulassen, dass Sie das Personal beleidigen.«
    »Das ist nicht meine Frau. Das ist nur jemand, mit dem ich mal gevögelt hab.«
    Der Mann - der Barkeeper? Rausschmeißer? - sagte: »So etwas muss ich mir nicht anhören. Machen Sie, dass Sie verschwinden.«
    Ig stand auf, zog seine Geldbörse hervor und

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