Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
Vom Netzwerk:
zwinkerte ihr zu.
    Es gab wohl ein Heilmittel, gegen Wut, Trauer und Verzweiflung. Liebe schaffte es, das vernichtende Gift aus dem Herzen zu saugen. Aber es gab keine Arznei gegen das Empfinden, das ihre Seele küsste, wenn sie ihn ansah. Sie saß im Glashaus ihrer Gefühle und sonnte sich im Glanz seines Daseins, ohne dass ihr die heranschleichenden Gewitterwolken etwas anhaben konnten. Schüchtern erwiderte sie sein Lächeln und versuchte erst gar nicht, dem Gewissen eine Maulschlaufe zu verpassen. Denn egal, was sie tat, es war ohnehin vermutlich vorherbestimmt.
     
    *
     
    Der Zug fuhr unaufhaltsam Richtung Norden. Sebastian hielt Annas Hand und sah zum Fenster hinaus, doch zwischendurch wanderte sein Blick zu ihr hinüber. Sie täuschte vor, zu schlafen, aber das gelegentliche Blinzeln strafte sie Lügen. Tief in ihr schlummerte ein Geheimnis. Er besaß genug Verstand, um zu bemerken, dass sie mit etwas hinterm Berg hielt. Obwohl eine Hexe seine Empathengabe gebannt hatte, war ihm in einigen Momenten so, als schnappte er doch etwas auf. Bloß flüchtig und nie lang genug, um das Empfinden festhalten zu können, doch es hielt zumindest so lang an, um auf den riesigen Schmerz in ihr zu stoßen. Sie schlug sich tapfer und bisher wirklich gut. In Bruchteilen von Sekunden nahm er wahr, wie sie das Loch in ihrer Brust mit Liebe betäubte. Aber wie lang vermochte das Gefühl die Nähte zusammenhalten? Und was war so schlimm, dass sie es nicht über die Lippen brachte?
    Sebastian seufzte und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Er würde sie nicht drängen, ihm alles zu erzählen. Ihr Verhältnis hatte sich verändert. Nicht wegen der gemeinsamen Nacht, die hatte sie bloß noch näher zusammengeschweißt. Aber die Wochen, in denen sie getrennt voneinander waren, machten sie beide misstrauisch. Er konnte einfach nicht sagen, wie weit er gehen konnte, ohne sie zu verletzen und wie er sich verhalten sollte, um sie glücklich zu machen. Einmal war es ja bereits gehörig in die Hose gegangen, aber da trieb ihn ein Gefühl, das er nicht kannte. Er war labil und er musste davon ausgehen, dass sie es ebenfalls war. Sie umkreisten sich, als lernten sie einander gerade erst kennen, und auch sie achtete auf ihre Worte und Gesten. Ob ihr Geheimnis mit Josh zu tun hatte? Er drückte ihre Hand. Nein, das traute er ihr beim besten Willen nicht zu. Josh war ein widerlicher Mistkerl und er schaffte es, dort anzusetzen, wo er sein Opfer zu kriegen wusste. Aber Anna? Dieses liebliche Wesen war nicht imstande dazu, ihm das Herz aus der Brust zu reißen. Nicht willentlich.
    Der Intercityexpress rauschte an kahlen Bäumen und schneebedeckten Feldern vorbei. Das Abteil ruckelte unter seinem Tempo. Ihm lag ein Stein im Magen. Sollte er sich vor dem zweiten Teil der Prophezeiung fürchten? Vielleicht handelte er ja von ihrer Beziehung, die nicht sein durfte, und davon, dass Anna mit ihm eine riesige Dummheit beging. Vorausgesetzt natürlich, ein zweiter Teil existierte überhaupt.
    Sebastian küsste ihren Haaransatz und sog tief ihren Duft an. Wie sollte etwas falsch sein, das sich so verdammt richtig anfühlte? Ein Leben lang hatte er zwischen den Stühlen gesessen. Seine Familie, die er aller Regeln zum Trotz gernhatte, und dann die dunklen Impulse, die er heimlich vergötterte. Aber sie schaffte es, alles in den Hintergrund zu stellen und aus ihm etwas Lebendiges zu machen – ganz ohne Magie. Es war der größte Fehler seines Lebens gewesen, sie und Marla allein zu lassen. In den wenigen Wochen hatte er beinahe vergessen, wie es war, zu den Guten zu gehören.
    Anna drehte den Kopf und hob die Lider. Sie blickte zu ihm auf, lächelte und sogleich streifte ein Schatten sein Herz. Er zog sich zurück, bevor die Klinge es berührte. Da war es wieder, das Gefühl, das nicht seins zu sein schien. »Wir sind gleich da«, flüsterte er, um sie von der Qual abzulenken, die zu ihr gehören musste.
    Sie nickte und kuschelte sich an seine Schulter.
    Sebastian hielt die Luft an. Sie hatten Grenzen überschritten, deren Barrieren eigentlich nicht zu brechen waren, und hatten sich über glühende Kohlen einen Weg gebahnt. Er schwor sich, wenn das alles vorbei war, würde er die Splitter ihres Herzens und die Trümmer ihres Lebens wieder einsammeln. Er würde jede messerscharfe Scherbe genau in die Lücke drücken, wo das Loch klaffte, und wenn seine Hände dabei noch so bluteten. Denn für ihn gab es nur ein Ziel. Sie bedingungslos glücklich zu

Weitere Kostenlose Bücher