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Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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machen – für den Rest ihres Lebens.

35. Kapitel
    Charlotte
     
     
     
    C harlottes Haus besaß ein wunderschönes, tiefgezogenes Reetdach. Es war eins dieser Friesenhäuser, die man im Norden oft fand, und der Schnee fiel ihm wie eine Schlafmütze ins Gesicht.
    Anna löste sich aus Sebastians klammernder Hand und durchquerte den Vorgarten der Seherin. Sie war im Norden und damit Zuhause. Allerdings verhinderte der bevorstehende Besuch, dass sie sich allzu heimisch fühlte. Ein zweiter Teil der Prophezeiung. Sie setzte nur mit eigener Überredungskunst einen Fuß vor den anderen. Irgendwann auf der langen Zugfahrt hatte sich die finstere Realität ein Loch in ihren Verstand gefressen, und durch die prophylaktische Notverriegelung strömten hin und wieder giftige Gase.
    Sebastian spurtete an ihr vorbei, sprang die beiden Stufen hoch und sah sie fragend an.
    Anna nickte. Sie verstanden sich Gott sei Dank ohne Worte, denn besonders viel gesprochen hatten sie nicht seit Evas Auftauchen. Dauernd hatte sie Angst, sich zu verplappern.
    Er drückte die Klingel. Anna erhaschte einen Blick auf seine zittrige Hand. Ihm ging es also ähnlich wie ihr und das, obwohl er die schlimmsten Nachrichten noch gar nicht kannte. Sie vermied es, ihn länger anzusehen und starrte so verkrampft auf die rot gestrichene Haustür, dass sie Angst bekam, durch mentale Kraft ein Loch hineinzubohren. Anna presste die Kiefer zusammen.
    Geräusche, als ob jemand zig Riegel zurückschöbe, drangen hinter der Tür nach draußen und eine kleine, hagere Frau öffnete sie einen Spalt weit.
    »Ähm«, begann Anna, doch sie hatte keine Ahnung, wie sie beginnen sollte.
    Sebastian räusperte sich. »Sind Sie Charlotte?«
    Die Frau drückte die Tür ins Schloss und einen Moment dachte Anna, sie ließe sie einfach stehen. Doch sie nahm bloß die letzte Kette aus dem Scharnier und öffnete die Tür diesmal weit. Mit schlurfenden Schritten näherte sie sich, zog eine Brille auf die Nase und hielt inne. Ihre Lippen umspielte ein Lächeln und ihre Augen zwinkerten vergnügt, während sie Anna musterte. »Des Arztes Tochter«, flüsterte sie.
    Wo war noch gleich die Toilette? Sie wollte sich schleunigst übergeben. Hatte die Frau das gerade wirklich gesagt? Anna riss die Stricke nieder, die sie an den Boden zu ketten schienen, und überwand sich, einen Schritt auf sie zuzugehen. »Mein Name ist Anna Graf und wir würden uns gern mit Ihnen unterhalten.«
    »Ich weiß, wer du bist.« Die alte Stimme glich einem Vögelchen.
    Und was sollte das heißen? Durften sie eintreten oder sich besser schleunigst vom Acker machen?
    »Na komm schon rein«, griff Charlotte ihre Gedanken auf.
    Anna atmete tief durch und schob sich an ihr vorbei in einen dunklen Hausflur. Der alte Dielenboden ächzte unter ihren Schritten. Willkommen in den sechziger Jahren.
    »Nein, nein. Magier sind in meinem Haus nicht willkommen.«
    Anna drehte sich um. Charlotte versperrte Sebastian den Weg.
    »Es ist nicht, wie Sie vielleicht glauben«, sagte sie fest.
    »Es ist immer ganz genauso, wie ich glaube. Er kann draußen auf dich warten. Soweit ich weiß, bekommen Magier keine Erkältung.« Sie hüstelte gekünstelt.
    Anna fing seinen Blick auf und nickte ihm zu. Was sollte schon groß passieren? Immerhin kam sie so nicht in die Verlegenheit, plötzlich Marlas Tod auszuplaudern oder vor seinen Ohren über die Hölle zu quatschen.
    Sebastian zuckte die Schultern, wandte sich ab und setzte sich auf die Treppenstufen des überdachten Podestes. Seit ihrem Streit legte er eine besonders sanfte und widerstandslose Seite an den Tag.
    Charlotte schloss die Tür. Ihre Sinne hatten sie nicht getäuscht, denn sie schob tatsächlich drei große Riegel vor und legte auch die Kette wieder an. Ein mulmiges Gefühl kroch Annas Hals hinauf. Warum verbarrikadierte sich die alte Dame?
    »Geh schon durch. Ich habe eben frischen Tee aufgesetzt.«
    Widerwillig setzte sie sich in Bewegung und trat durch einen Rundbogen in eine winzige Küche.
    »Setz dich hin, Anna.«
    Es klang komisch, wie sie ihren Namen aussprach. Vom Holzstuhl schälte sich die weiße Farbe. Sie widerstand dem Impuls, über die Sitzfläche zu fahren, und nahm Platz.
    Charlotte trat an die Küchenzeile, schenkte aus einem altmodischen Kessel, der sicher noch Pfeiftöne von sich gab, Tee in zwei Tassen und schlurfte zum Tisch.
    Anna überlegte, wie alt sie wohl sei. Sicher jenseits der siebzig, vielleicht schon weit über achtzig. Ihr dünnes Haar

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