Teuflisch erwacht
Junge ein Eisklotz sei, und dass wir ihm helfen müssten, lieben zu lernen.«
»Also hat er vorher wirklich nicht menschlich empfunden.« Anna schluckte schwer. Hatte ihn Franks Gabe erst zu dem gemacht, den sie liebte? Wie war er vorher gewesen? Die Dunkelheit gehörte zu ihm und sie besaß einen gewissen Reiz. Aber ausschließlich ein Fiesling zu sein, machte ihn in ihrer Vorstellung nicht unbedingt attraktiv.
»Nein. Es scheint, als wäre an den Gerüchten, dass Magier nicht wie wir fühlen, ein großer Wahrheitsgehalt. Oder sie verstecken es gut.«
Anna fuhr zusammen und ihr Herz jagte los. Ein wütender Schneesturm zog auf. Marla hatte etwas so Wichtiges gesagt. Verdammt, weshalb hatten sie nie darüber gesprochen? Das änderte alles.
»Was ist los?«, fragte Marla.
Anna schüttelte den Kopf. Wenn sie aussprach, was sich ihr Gehirn zusammenreimte, nähme die Angst Gestalt an. So ein verfluchter Mist.
»Anna?«
»Magier sind halb Mensch, halb Engel, oder?«
»Ja.« Marla wirkte verwirrt.
»Wenn der menschliche Teil sie dazu verleitet, Liebe zu empfinden, dann stammt die grausame Seite vom Engel.«
Marla nickte.
Sie zählte eins und eins nicht zusammen. Wieso sah sie die Katastrophe nicht? Anna nahm sich ein Herz. »Marla«, rang sie sich von den Lippen ab. Der Abgrund klaffte auseinander, doch sie stürzte nicht länger. Sie lag längst in ihm, vergraben unter der Last der Welt. »Wenn Magier schon schrecklich sind, obwohl nur ein Teil von ihnen übernatürlich ist, was glaubst du, wird erst der ursprüngliche Bote sein?«
Marla erblasste um ein paar Nuancen. Sie schluckte hörbar und brachte kein Wort heraus.
Annas Welt begann sich zu drehen, unaufhaltsam und in einem Tempo, dass Übelkeit aufschwappte. Sie krallte sich in den Sitz und versuchte, das Karussell anzuhalten. Alles deutete darauf hin, dass sie auf ein falsches Pferd gesetzt hatten und es war dabei, sie in hohem Bogen abzuwerfen. Sie stürzten sehr tief und der Aufprall konnte die Welt zerschmettern.
19. Kapitel
Zur falschen Zeit am falschen Ort
C ynthia beugte sich über die Motorhaube. Das Pendel kreiste unruhig über der Landkarte und der kalte Wind sorgte dafür, dass es bei jedem Versuch, Annas genauen Aufenthaltsort zu bestimmen, woanders hinzielte.
»Lass mich mal«, sagte Patrick genervt. Er rieb sich die Finger und riss ihr das Pendel aus der Hand.
»Aua, geht’s noch grober?« Cynthia trat zur Seite und schnaubte. Als ob er das besser hinbekäme als sie. Sie wandte sich kopfschüttelnd ab und trippelte von einem Bein aufs andere, in der Hoffnung, die Kälte aus den Gliedern zu treiben.
Über die Hälfte der Strecke hatten sie hinter sich gebracht. Laut der Hexenkunst hielten sich Sebastians Medium und Hexe in Hamburg auf, aber das Pendel schaffte es nicht, den genauen Ort auszumachen. Verflixt. Konnte nicht einmal etwas glatt laufen? Sie schickte die Frage in den Himmel, aber es war wohl, wie immer, zu viel verlangt.
»Nichts. Keine Ahnung. Irgendwo in Hamburg«, gab Patrick Auskunft. Er klang enttäuscht.
»Ein letzter Versuch.« Cynthia nahm ihm das Pendel ab. Sie war Rechtshänder, also nahm sie die linke Hand zum Pendeln. Es war ihre weniger dominante Seite, somit konnte Magie leichter die Führung übernehmen. Der Messinganhänger lag warm in ihrer Hand. Ein Zeichen, dass er bereits gearbeitet hatte. Messing eignete sich hervorragend, Personen aufzuspüren, denn die Mischung aus minuspoligem Kupfer und pluspoligem Zink machten das Pendel neutral. Sie ließ den Anhänger durch Mittel- und Zeigefinger gleiten und hielt ihn über die Karte. »Komm schon Anna, wo steckst du?«, fragte sie leise. Der Anhänger schwankte über den Stadtplan.
Patrick trat neben sie und versuchte, den Wind abzuschirmen.
Natürlich erfüllte seine mickrige Statur nicht den gewünschten Zweck, aber sie zwang sich, die Kränkung nicht auszusprechen und konzentrierte sich auf das Pendel. Es vibrierte zögerlich und dirigierte zur rechten Seite. Etwas zog es an wie ein Magnet, der mit enormer Kraft an Metall zerrte.
»Los, mach.«
Wie ein Asteroid schoss das Pendel auf die Karte. Der Knall, mit dem der Messinganhänger auf die Motorhaube donnerte, hallte über den Rastplatz.
Cynthia erschauderte. Eine dunkle Präsenz streifte sie wie eine eiskalte Klinge, die das Rückgrat hinabfuhr. Vollkommende Dunkelheit rauschte in ihren Verstand, lähmte die Atmung und setzte die Gedanken außer Kraft. Die Kette in ihrer Hand glühte. Ihr
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