Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
entdeckte keine Renitenz in seinem Verhalten. Er saß aufrecht mit gefalteten Händen am Tisch. Seine Stimme klang eher weich und nasal. Er trug eine karierte Hemdjacke, die momentan über der Stuhllehne hing, zu einem schwarzen T-Shirt, Levis-Jeans und Turnschuhen. Als Decker den Vernehmungsraum betrat, blickte er hoch. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lümmelte sich in den Stuhl, wobei sein rechtes Bein auf und ab wippte.
Decker setzte sich in die Nähe des Jungen und stellte sich vor.
»Sie sind der Pflegevater von Chris, oder?«
Decker war verwirrt. »Chris?«
»Ach ja … stimmt. Der Typ heute. Er sagte, er heißt Chris. Und dann sagte er irgendwas anderes. Kann mich nicht dran erinnern.«
Decker klärte die Sache nicht auf. »Wie ich hörte, möchten Sie mit mir reden.« Das Bein des Jungen wippte weiter auf und ab, auf und ab. »Reden wird Detective Oliver mit Ihnen. Ich bin nur dabei, um zuzuhören.«
»Ich bin ja nicht bescheuert«, sagte Kyle. »Ich weiß, ich geh hier ein Megarisiko ein. Ich hab meine Eltern noch nicht angerufen, obwohl sie’s bald erfahren werden. Und ich weiß, dass es dämlich ist, mit Ihnen ohne Anwalt zu reden. Die Sache ist die, ich stell mich hier voll in die Schusslinie. Und ich brauch diesen einen Treffer, damit das Ganze hier verschwindet.«
Niemand sagte etwas.
»Ich mein, ich weiß doch, dass die Sache nicht verschwindet, wenn Sie sie nicht verschwinden lassen.«
Immer noch kein Kommentar.
Sein Blick lag auf Decker. »Hören Sie, Sir, ich tu alles , was Sie wollen. Ich werd Ihnen alles erzählen, und damit mein ich alles , solange Sie mich aus der Sache raushalten. Also, schon klar, ich muss vielleicht so was wie ein Zeuge sein, weil ich da war. Aber ich schwör bei Gott, dass ich nichts getan hab. Okay, ich hab mir die Waffe von meinem Vater geliehen und sie Dylan gegeben, aber mit der Aktion heute Morgen hatte ich rein gar nichts zu tun. Nichts und wieder nichts. Als ich auftauchte, lief die Aktion längst.«
Decker wandte sich an Oliver. »Hast du Mr. Kerkin seine Rechte vorgetragen?«
»Ja«, bestätigte Oliver. »Ich habe die Unterschrift.«
»Wir sind offen für alles, was Sie uns erzählen möchten.«
»Wie ich Ihnen bereits sagte, Kyle«, meinte Oliver, »dies hier ist Ihre Chance, uns Ihre Version des Vorfalls zu berichten.«
»Also«, Kyle beugte sich vor, »ich seh immer The First 48 , diese Dokusendung. Ich weiß Bescheid, und ich bin nicht hier, um ein Geständnis abzulegen. Ich hab nichts getan. Aber, ja, ich war da. So viel geb ich zu, weil’s Quatsch wär, das Offensichtliche zu leugnen. Ich weiß, ich sitz tief in der Scheiße. Was ich Ihnen sage, ist, dass ich alles tun werd, was Sie von mir wollen. Und ich sag alles, was Sie wollen. Ich will nur raus hier.«
»Warum fangen Sie nicht einfach von vorne an?«, schlug Oliver vor. »Was war da heute Morgen los?«
»Also, erst mal brauch ich so was wie ’ne Garantie von Ihnen. Ich hab’s an die Wharton School geschafft.« Ihm schossen Tränen in die Augen. »Und ich werd nicht zulassen, dass irgendein verdammtes Arschloch mein Leben ruiniert.«
Zu spät , dachte Decker. »Wer ist denn das verdammte Arschloch?«, fragte Decker.
Kyle knirschte mit den Zähnen, und sein malmender Kiefer machte Überstunden. »Dylan Lashay. Ein echter Psychopath, und dieses Wort benutz ich nicht einfach so.« Pause. »Schätze, Sie fragen sich jetzt, warum ich mit ihm rumhänge.«
»Ein bisschen neugierig bin ich schon«, sagte Oliver.
Kyle wischte sich mit dem Ärmel seines T-Shirts über die Augen. »Was für ein beschissenes Durcheinander! Ich hatte gehofft, es würde geheim bleiben, bis ich von zu Hause ausziehe.« Sein Blick wanderte zwischen Decker und Oliver hin und her. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Bin nämlich schwul.«
Decker nickte. »Und Ihre Eltern haben keine Ahnung.«
»Nein, natürlich nicht. Meine ältere Schwester starb vor zehn Jahren bei einem Autounfall. Ich bin das einzige Kind.« Er blickte zur Decke. »Alle ihre Hoffnungen und Träume liegen auf meinen Schultern. Schlimm genug, dass sie nie so was wie Kinder von mir kriegen werden. Wenn ich im Gefängnis lande, bringt meine Mutter sich um. Sie ist echt psycho.«
»Sie haben immer noch nicht beantwortet, warum Sie mit Dylan abhängen«, sagte Oliver.
Kyle blickte zu Boden. »Wir hatten in der elften Klasse so ein Ding miteinander laufen, das ging eine Weile. Er hat uns dabei mal gefilmt. Wir fanden das beide
Weitere Kostenlose Bücher