Teuflische List
etwas warten müssen.«
»Das macht mir nichts«, sagte sie. »Wenigstens können Thomas und ich unser erstes Weihnachten zusammen feiern. Er mag noch zu jung sein, um das schätzen zu können, ich aber bin alt genug.«
Zehn Minuten später traf Jules im Pfarrhaus ein und fand Abigail oben im Schlafzimmer, wo sie dem Baby den Strampler wechselte.
»Wir haben einen Käufer für das Haus«, verkündete sie. »Keine Maklergebühren – die übernimmt der Käufer –, und er hat es eilig.«
Abigail sagte, das seien gute Neuigkeiten, und teilte ihr dann ihre eigenen mit.
»O Gott«, sagte Jules. »Wie fühlst du dich?«
»Lass uns nicht darüber reden«, sagte Abigail. »Erzähl mir lieber von dem Käufer.«
»Es handelt sich um eine Familie namens Salter. Dem Makler zufolge ist es ein sehr nettes Paar, das sich angeblich auf Anhieb in das Haus und den Garten verliebt hat und nicht viel verändern will.«
»Kinder?«, fragte Abigail und dachte sofort an den Teich, wie sicherlich auch Jules.
»Ja, Teenager.« Jules erinnerte sich an Silas’ Prophezeiung, das Haus würde eines Tages an eine Familie mit älteren Kindern gehen. »Also. Was denkst du?«
»Es ist deine Entscheidung«, antwortete Abigail.
Das Haus stand schon lange zum Verkauf. Anfangs hatten es sich eine Menge Leute angesehen, und sie waren allesamt von der Vorstellung fasziniert gewesen, sich den Tatort eines erst kürzlich verübten Mordes anzuschauen, doch echte Kaufinteressenten waren bisher zurückgeschreckt, als sie davon erfuhren.
Und natürlich hatte keiner von ihnen etwas von dem Grab gewusst.
»Alles in allem scheinen diese Leute perfekt zu sein«, erklärte Jules.
»Aber?«
»Ist das nicht ein wenig viel? Dass alles auf einmal kommt, meine ich.«
»Es ist vielleicht am besten so«, sagte Abigail. »So ist dann endlich alles geregelt.«
Das letzte Wort – geregelt – hing in der Luft, als Abigail das frisch eingekleidete Baby hochhob und es auf den Kopf küsste.
»Ich mache mir trotzdem ein wenig Sorgen wegen des Teichs«, bemerkte Jules.
»Natürlich«, sagte Abigail.
»Ich habe weniger Angst, dass diese Leute es herausfinden könnten, zumal sie ja gesagt haben, dass sie esso mögen, wie es ist.« Jules hielt kurz inne. »Und falls sie es irgendwann ebenfalls verkaufen sollten, und falls ihr Käufer beschließen sollte, den Teich zu entfernen …«
»Denk gar nicht erst darüber nach.«
»Ich wollte sagen, dass Olli und Thomas wenigstens älter sein werden, sollte es zum Schlimmsten kommen.«
»Das stimmt.« Abigail setzte sich mit ihrem Sohn auf den Schaukelstuhl. »Sag mal, was empfindest du wirklich, was den Verkauf angeht?«
»Wir sind das alles doch schon durchgegangen«, sagte Jules. »Wir haben abgemacht, dass keine von uns beiden …«
»Hier geht es nicht um ›uns‹«, unterbrach Abigail sie. »Es ist das Haus, das deine Mutter dir vermacht hat.«
»Und aus dem ich schon vor langer Zeit ausgezogen bin«, sagte Jules.
Abigail legte ihren Sohn auf den linken Arm, damit sie ihn besser sehen konnte.
»Und wie fühlst du dich dabei, das Grab deines Vaters zurückzulassen?«
»Das ist schrecklich falsch«, antwortete Jules. »Aber das war es von Anfang an. Was immer wirklich mit ihm geschehen ist. Was Silas und ich getan haben …«
»Wozu er dich gezwungen hat.«
»Ich habe trotzdem geholfen«, sagte Jules. »Außerdem kann ich es jetzt nicht mehr rückgängig machen.« Sie atmete tief durch. »Da ist aber noch etwas.«
»Du willst wegziehen«, sagte Abigail.
Jules errötete. »Woher weißt du das?«
»Weil es offensichtlich das Richtige für dich ist«, sagte Abigail. »Wenn ich ins Gefängnis gehe und du Olli und Thomas hast und das Haus verkauft ist – und vielleichtauch die Wohnung –, wirst du genügend Geld haben, um dir irgendetwas Schönes weit weg von hier zu kaufen.«
»Nicht zu weit weg«, sagte Jules. »Du musst dir keine Sorgen machen, wenn …«
»Ich mache mir keine Sorgen«, unterbrach Abigail sie. »Selbst wenn ihr mich nicht besuchen kommen könntet … ich könnte mir euch drei an einem neuen, schönen und anderen Ort vorstellen.«
»Und wenn du wieder rauskommst«, brachte Jules mühsam hervor, »werden wir zu viert sein.«
»Das wäre schön«, sagte Abigail.
»Es wird schön sein«, sagte Jules.
Abigail nickte, obwohl sie sich das alles im Augenblick nicht vorstellen konnte, denn in ihrer Vorstellungswelt warteten nur das Gefängnis und das Leben hinter Gittern.
Das
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