Teuflische List
forderte er sie auf.
»Nein«, erwiderte Jules.
»Ich will ihn nicht bei der Taufe meines Neffen sehen.«
»Verdammt!« Jules errötete leicht und lächelte den Vikar an. »Blas dich nicht so auf, Silas. Gib lieber Oliver einen Kuss.«
»Sobald dieser Mann verschwunden ist«, sagte Silas.
»Liebling …« Abigail hatte den linken Arm um das Cello geschlungen, in der rechten Hand hielt sie den Bogen. » Bitte. Nicht jetzt.«
»Ich glaube, wir können anfangen. Was meinen Sie?«, fragte der Vikar.
Silas beachtete ihn gar nicht.
»Ich nehme an, du hast davon gewusst«, sagte er zu Abigail.
»Abigail hat nichts davon gewusst«, erklärte Jules. »Meine Güte, Silas, reiß dich zusammen. Um Ollis willen, wenn schon aus sonst keinem Grund.«
In der dritten Reihe stand Charlie auf.
»Nein.« Jules warf dem Vikar einen entschuldigenden Blick zu und ging rasch durch den Mittelgang zur dritten Reihe. »Es tut mir Leid, Charlie.«
»Es ist besser, wenn ich gehe«, sagte er leise.
»Ganz und gar nicht.« Jules streichelte ihrem Sohn über das dunkle Haar. »Bitte, Charlie.«
Charlie nickte und setzte sich wieder.
»Gut«, sagte Silas zu Abigail. »Das wär’s. Wir gehen.«
»Sei nicht dumm.« Abigail stand auf, wobei das Cello sie behinderte. »Silas, vergiss Charlie, und konzentriere dich auf Olli.« Jules kam wieder zurück. »Sieh doch mal, wie wundervoll er in deinem tollen Gewand aussieht.«
»Ja, Mr. Graves«, sagte der Vikar. »Er ist wirklich ein wunderschönes Baby.«
»Abigail.« Silas ignorierte den Vikar erneut. »Komm.«
»Ich glaube dir nicht, Silas«, sagte Jules wütend, und Olli fing zu weinen an. »Jetzt sieh dir an, was du getan hast. Dich wie ein Tyrann aufzuführen!«
»Das reicht jetzt wirklich.« Silas drehte sich wieder zu Abigail um. »Kommst du jetzt oder nicht?«
»Nein.« Abigail setzte sich wieder und klammerte sich an ihr Cello, fest entschlossen, nicht zu weinen.
Silas stapfte aus der Kirche.
Sie spielte das Präludium aus Bachs Cellosuite Nr. 1 – schöner als je zuvor. Sie vermutete, dass ihr Schmerz in die Musik hineinfloss.
»Erst du hast alles zu einem wunderbaren Ereignis werden lassen«, sagte Jules später in der Wohnung, während die anderen Gäste sich unterhielten, aßen und tranken. »Deine Musik hat die verpestete Atmosphäre vertrieben. Es war sehr bewegend.«
»Es muss hart für dich gewesen sein«, sagte Charlie und wandte sich dann an Jules. »Du hättest mich gehen lassen sollen. Es hätte mir nichts ausgemacht. Ich hätte es verstanden.«
»Niemals«, erwiderte Jules.
Charlie blickte ihr hinterher, als sie zu den anderen Gästen ging, um sich mit ihnen zu unterhalten. »Sie ist wirklich sehr nett«, sagte er zu Abigail.
»Jules ist der netteste Mensch, den ich kenne.« Abigail schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur nicht, was in Silas gefahren ist.«
»Möchtest du, dass ich dich nach Hause fahre?«, fragte Charlie.
Abigail erinnerte sich an das letzte Mal.
»Nein, danke«, sagte sie. »Ich will noch nicht gehen.«
»Hast du seit der Kirche mit ihm gesprochen?«
Erneut schüttelte sie den Kopf und biss die Zähne zusammen.
»Vielleicht solltest du ihn anrufen«, schlug Charlie vor. »Nur um zu sehen, ob es ihm gut geht.«
»Davon gehe ich aus«, sagte Abigail angespannt.
»Ruf ihn trotzdem an«, sagte Charlie. »Wenn schon nicht wegen ihm, dann um Jules’ willen.«
»Du bist auch ein sehr netter Mensch«, bemerkte Abigail.
»Silas ist da anderer Meinung«, erwiderte Charlie und grinste.
Sie rief aus Jules’ Schlafzimmer an, wo Asali sich in den Laken vergraben hatte. Doch Silas war nicht zu Hause, sondern im Studio.
»Geht es dir gut?« Sie hoffte beinahe, er würde »nein« sagen und dass es ihm schlecht ginge – irgendetwas, um sein Verhalten zu mildern.
»So gut, wie man’s erwarten kann«, antwortete Silas.
Abigail atmete tief durch. »Wirst du noch zu Jules kommen?«
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre.«
»Es wäre die beste Idee überhaupt«, sagte Abigail. »Jules würde die Party in jedem Fall sehr viel mehr genießen.« Sie hielt kurz inne. »Und mich würdest du glücklich machen.«
Für einen Moment herrschte Schweigen.
»Ist er dort?«, fragte Silas.
»Ja«, antwortete Abigail.
Er legte auf.
»Wenn du heute Nacht gern hier bleiben möchtest«, sagte Jules fast zwei Stunden später, »würden Olli und ich uns freuen.«
»Ich weiß ja nicht, wie es mit Olli ist«, erwiderte Abigail, »aber du siehst
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