Teuflische Schwester
Anstalten dazu.
Als ihre Mutter sich wenig später dazu gesellte und
zuschaute, wollte sie wissen, warum Melissa nicht
mitspielte. Melissa erkärte hartnäckig, daß sie keine Lust
habe.
Aber sie sah nur zu deutlich, daß ihre Mutter den wahren
Grund kannte.
Den ganzen Nachmittag war Melissa ausgeschlossen
geblieben. Am liebsten wollte sie sich bis zum Ende der
Party im Badezimmer einschließen. Das freilich würde
ihre Mutter zu verhindern wissen.
Plötzlich drehte sich der Türgriff, und jemand rüttelte
ungeduldig. »Das ist doch das Letzte!« vernahm sie Ellen
Stevens’ Stimme. »Erst müssen wir zu dieser dämlichen
Wohltätigkeitsfete kommen, und dann kann man nicht
einmal ins Bad!«
»Gehen wir nach oben«, entgegnete Cyndi Miller.
»Vielleicht finden wir dort einen von Melissas
Lippenstiften.«
Ellens höhnisches Gelächter drang laut in das
Badezimmer. »Seit wann hat die denn einen Lippenstift?
Selbst wenn sie einen hätte, du würdest dich damit nur
entstellen. Warum gehen wir nicht einfach?«
»Das ist doch nicht möglich«, meinte Cyndi. »Meine
Mutter hat gesagt, daß wir mindestens bis neun Uhr
bleiben müssen, egal wie langweilig es wird. Sonst muß
sie sich wieder Mrs. Holloways Litaneien anhören, wie
garstig wir zu ihrem herzallerliebsten Töchterchen
waren.«
Auf einmal reichte es Melissa. Sie riß die Tür auf und
starrte den zwei Mädchen ins Gesicht. Mit großer
Anstrengung kämpfte sie die Tränen nieder. »Von mir aus
braucht ihr nicht zu bleiben«, sagte sie leise. »Mir war es
von Anfang an nicht recht, daß ihr kommt.«
Die zwei Mädchen, die beide nur ein Jahr älter waren als
Melissa, tauschten überraschte Blicke aus. Cyndi fand als
erste die Sprache wieder: »Du hättest uns nicht belauschen
dürfen«, erklärte sie.
Langsam verlor Melissa die Selbstbeherrschung. Sie
hatte doch nichts getan. Absichtlich hatte sie gewiß nicht
zugehört. Sie waren einfach dagestanden und hatten über
sie hergezogen. Was konnte sie denn dafür? Und dann sah
sie ihre Mutter die Treppe herunterkommen und sie
fragend anschauen.
»Stimmt etwas nicht?« fragte Phyllis Holloway.
Melissa wollte den Kopf schütteln, doch es war zu spät.
»Wir gehen wohl besser heim, Mrs. Holloway«, sagte
Ellen Stevens, als wollte sie die Situation höflich
bereinigen. »Melissa hat uns soeben gesagt, daß sie auf
unsere Gesellschaft keinerlei Wert legt.«
Beim Anblick von Phyllis’ wutverzerrtem Gesicht
stürzte Melissa Hals über Kopf nach oben in ihr Zimmer
und warf sich schluchzend aufs Bett. Sie zuckte am
ganzen Leib. Vor Verzweiflung trommelte sie mit den
Fäusten aufs Kopfkissen.
Aber bald ließ das Schluchzen nach, und der Zorn über
Cyndi, Ellen und die anderen legte sich.
Sie konnten schließlich auch nichts dafür. Sie hatten
genausowenig Lust auf diese Party gehabt wie sie. Und
wenn ihre Mutter nicht die anderen Mütter angerufen und
gebettelt hätte, wären sie auch nicht gekommen.
Der Zorn wich panischer Angst. Nach all dem, was heute
nachmittag geschehen war, war Melissa sicher, daß ihre
Mutter heute nacht warten würde, bis Cora sich schlafen
legte, und dann in ihr Zimmer kommen würde.
Und dann mußte sie sich wieder auf eines ihrer ›kleinen
Gespräche‹ gefaßt machen.
3
Jedesmal aufs neue überkam Charles Holloway bei der
Ankunft in Los Angeles ein unbestimmtes Gefühl der
Orientierungslosigkeit. Schuld an seiner Verwirrung
waren teilweise die Stadtautobahnen, die alle nur in
südlicher und nördlicher Richtung zu verlaufen schienen,
obwohl sie sich in rechtem Winkel kreuzten. Zu guter
Letzt fand er aber den labyrinthartig angelegten Vorort
San Fernando Valley. Neunzig Minuten nach der Ankunft
am Flughafen parkte er seinen Mietwagen vor dem
verkohlten Haus der MacIvers. Er sah diese Gegend zum
allererstenmal, doch er wußte sofort, warum sie Polly
gefallen hatte.
Die Häuser vermittelten den Eindruck von Zeitlosigjkeit.
Die Vorgärten mit ihren hohen, schattigen Bäumen sahen
aus, als würden sie schon seit Jahrhunderten liebevoll
gepflegt. Vom grellen Grün frisch angelegter
Rasenflächen oder dem vielen Zierat der modernen
Vororte war nichts zu sehen. Nein, diesem Viertel haftete
etwas Unveränderliches an, eine gutbürgerliche
Gediegenheit, wie sie Polly von je her imponiert hatte.
Ihm selbst kam es einfach trostlos vor, wie ein Abklatsch
der Kleinstädte an der Ostküste, die ihn schon immer zu
Tode gelangweilt hatten. Polly hatten sie dagegen
magnetisch
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