Teuflische Schwester
sie spitz. »Das muß man sich mal vorstellen. Jeden
Cent hat sie weggegeben! Ihre Eltern müssen sich im Grab
umgedreht haben.« Mitleidig schüttelte sie den Kopf.
»Was Polly ihrem Kind nicht alles verweigert hat!
Manchmal hatte ich das Gefühl, sie wäre übergeschnappt.«
Lenore Van Arsdale warf Eleanor einen mißbilligenden
Blick zu. »Daran war Berkeley schuld«, verkündete sie.
»Wenn sie an einer anständigen Universität studiert
hätte, wäre es nie so weit gekommen. Sie war ja jahrelang
meine beste Freundin. Und vor Kalifornien war sie
vollkommen normal. Aber sie ist ganz verdreht aus
Berkeley zurückgekommen.«
»Naja«, rief Kay Fielding fröhlich. »Zumindest
bekommen wir Teri zurück, ehe es zu spät ist. Hier hat sie
garantiert die besten Voraussetzungen für ihr späteres
Leben.«
Das Gespräch ging noch eine ganze Weile so weiter,
aber Phyllis hörte nicht mehr hin. Sie dachte fieberhaft
nach. Sie hatte es für sich behalten, doch bis vor wenigen
Augenblicken hatte sie sich gefragt, was sie nur mit Teri
MacIver anfangen sollte. Eine Heranwachsende im Haus
war schon schlimm genug, zumal wenn sie so viele
Schwierigkeiten machte wie Melissa. Wie wäre es dann
erst mit zwei? Allein die Vorstellung hatte ihr
Kopfschmerzen bereitet. Jetzt aber sah sie plötzlich die
andere Seite der Medaille. Diese Frauen, die sie jede
Sekunde hatten spüren lassen, daß sie nicht wirklich zu
ihnen gehörte, waren ganz offensichtlich bereit, Teri in
ihrer Mitte aufzunehmen. Und das, obwohl sie sie seit
über dreizehn Jahren nicht mehr gesehen hatten. Teri
konnte bestimmt damit rechnen, zu all den Partys
eingeladen zu werden, von denen sie Melissa
ausgeschlossen hatten. Und in Maplecrest würde es von
jetzt an auch Partys geben. Denn die vielen Einladungen,
mit denen sie Teri überschütten würden, durften nicht
unerwidert bleiben. Dafür würde sie schon sorgen. Ja,
vielleicht war Teri endlich der Schlüssel zur Aufnahme in
die Gesellschaft von Secret Cove, die ihr so lange
vorenthalten geblieben war. Das hatte sie doch nicht
verdient.
Genausowenig hatte sie verdient, mit dem Wissen leben
zu müssen, daß diese Frauen Polly jederzeit wieder in
ihrem Kreis aufgenommen hätten, als hätte sie ihn nie
verlassen.
Als ob Polly Charles eine so gute Ehefrau gewesen wäre
wie sie.
Dabei wußte sie in ihrem Innersten, daß das nicht
stimmte. Polly war viel exzentrischer gewesen, als diese
Damen auch nur ahnen konnten. Manchmal hätte Phyllis
ihnen am liebsten erzählt, was sich alles in Maplecrest
abgespielt hatte, bevor Polly endlich gegangen war. Selbst
jetzt erinnerte sie sich noch lebhaft daran.
Vor allem an eine Nacht.
In Maplecrest liefen die Vorbereitungen für eine Party.
Es hatte zwar nicht zu ihrer Aufgabe gehört, aber Phyllis
hatte fast alles selbst gemacht. Zusammen mit Cora hatte
sie die Speisen zusammengestellt, sich um die Dekoration
gekümmert und dafür gesorgt, daß nichts schiefgehen
konnte.
Und was hatte Polly getan? Den ganzen Tag hatte sie
sich in ihrer zerfransten Jeans in den Sessel gelümmelt
und Gedichte gelesen.
Nichts als Gedichte!
Eine Stunde vor der Party hatte Charles sie gebeten, sich
doch endlich fertigzumachen. Und sie hatte nur kurz von
ihrem Buch aufgesehen und gemeint: »Vielleicht lasse ich
es bleiben. Es sind ja doch nur die gleichen Langweiler
mit ihrem ewig leeren Gerede.«
Phyllis, die zufällig daneben gestanden hatte, war sofort
der Ausdruck in Charles’ Augen aufgefallen. Er hatte sie
sogar angesehen. Aber in diesem Blick hatte keinerlei
Scham gelegen, weil sie etwas gehört hatte, was nicht für
ihre Ohren bestimmt war.
Er hatte vielmehr um Verständnis geworben.
Und sie hatte verstanden.
Daß Charles nämlich eine Frau brauchte, die sich
vorbehaltlos in das einzige für ihn mögliche Leben stürzte.
Daß er eine Gastgeberin brauchte, die seine
Geschäftsfreunde unterhielt, ohne daß ihre Augen vor
Langeweile ganz glasig wurden.
Daß er eine Partnerin brauchte, die das Vermögen der
Holloways zu würdigen wußte und nicht darüber höhnte.
Daß er sie brauchte – und keine Polly.
Aber keine, aber auch keine einzige von Pollys
Jugendfreundinnen hatte das je verstanden. Für sie würde
Polly immer die bleiben, die sie ihr Leben lang gekannt
hatten. Und sie würde ewig Phyllis, die Außenseiterin
bleiben.
Aber jetzt, mit Teris Rückkehr, änderte sich das
vielleicht. Zeit war es längst dafür.
Während des Essens fanden die
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