Teuflische Versprechen
sollte irgendwas sein, ich bin ausnahmsweise rund um die Uhr zu erreichen. Schönen Abend noch.« Und zu Julia Durant und Frank Hellmer: »Und passen Sie gut auf die Kleine auf.«
Donnerstag, 17.45 Uhr
Ihre Beine waren schwer, als sie die Treppe nach oben stieg. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, machte die Tür auf und blieb für einen Moment regungslos stehen. Ihr Vater saß im Sessel, in einer Hand die Pfeife, der milde Geruch des Tabaks hing in der Luft, in der andern ein Buch, das sich Julia Durant vor ein paar Tagen gekauft hatte,
Der Schatten des Windes
, ein Buch, das erst im Sommer erschienen und ihr von einer Buchhändlerin wärmstens empfohlen worden war. Er blickte auf, legte das Buch auf den Tisch und die Pfeife in den Aschenbecher und kam auf seine Tochter zu.
»Was ist denn hier passiert?«, entfuhr es ihr, als sie sich umschaute und die Tür mit dem Absatz zukickte.
»Was meinst du?«, fragte er und spielte den Ahnungslosen.
»Das hättest du nun wirklich nicht zu machen brauchen. Das sieht ja aus wie abgeleckt. Und auch noch Kerzenlicht.«
»Ich hatte Langeweile, und da dachte ich mir, warum soll ich dir nicht ein wenig unter die Arme greifen, jetzt, wo du so viel zu tun hast. Zu Hause mach ich auch alles allein.«
»Danke«, sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie stellte ihre Tasche neben den Sessel und sah sich ihre Wohnung an, die, so weit sie sich erinnern konnte, noch nie so geblitzt hatte, höchstens damals, als sie eingezogen war und nochkeine Möbel drin standen. »Wie hast du das bloß alles so schnell geschafft?«
»Übung. Irgendwie muss ich mich ja fit halten. Na ja, und so schlimm sah’s ja nun auch wieder nicht aus, höchstens ein bisschen unordentlich. Die Wäsche ist übrigens auch gewaschen und hängt über dem Trockner. Es hat mir Spaß gemacht, großes Ehrenwort.«
»Für mich ist so was immer eine Tortur. Bin gespannt, wie lange das hält.«
»Das allerdings liegt an dir. Ein Glas Wein gefällig?«, fragte er und deutete auf die Flasche und die beiden Gläser auf dem Tisch. »Ich habe uns auch eine Kleinigkeit gekocht, nichts Besonderes, nur Spaghetti Bolognese, aber immerhin nach meinem Spezialrezept.«
»Und ich wollte mit dir zu Garibaldi fahren«, sagte sie lachend, »aber mit deinen Spaghetti kommen die nie und nimmer mit. Wann können wir essen?«
»In einer Viertelstunde, das Wasser muss erst noch aufkochen, bevor ich die Spaghetti reintue.«
»Dann husch ich mal schnell ins Bad und mach mich frisch. Bis gleich.«
Als sie zurückkam, goss ihr Vater gerade die Spaghetti ab. Sie hatte kurz geduscht und sich umgezogen. Ein Blick auf die Uhr – sie überlegte, ob sie bei Hellmer anrufen und ihm sagen sollte, dass es vermutlich etwas später werden würde, aber sie wollte ihrem Vater auch nicht die Freude nehmen, mit ihr zu essen und ein Glas Wein zu trinken. Außerdem gab es Dringendes zu besprechen, und sie würde nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern ihm auf ihre ganz eigene, subtile Weise (sie wusste noch aus der Vergangenheit, als sie ein kleines Mädchen war, wie sie ihn mit scheinbar unendlicher Leichtigkeit um den Finger wickeln konnte) schonend beibringen, dasssein Aufenthalt in Frankfurt womöglich etwas länger dauern würde als geplant. Sie scheute sich nicht vor diesem Gespräch, aber dennoch würde sie es vorsichtig angehen.
Er füllte auf, schenkte den Wein ein, atmete das Bouquet ein, nahm einen Schluck und nickte. Dann prostete er seiner Tochter zu und sagte: »Auf dein Wohl, und dass du diesen Fall schnell lösen mögest. Gott mit dir. Und nun lass uns der Völlerei frönen.«
»Auf dein Wohl«, erwiderte sie und stieß mit ihrem Vater an.
»Schmeckt phantastisch«, sagte sie nach der ersten Gabel, »wie früher. Du hast es nicht verlernt.«
»So etwas verlernt man nicht, man verfeinert die Kunst der Haute Cuisine höchstens. Aber ich koche nicht mehr so viel, wofür auch, ich bin schließlich allein.«
»Ach ja, wirklich?«, fragte sie grinsend. »Gestern hatte ich irgendwie das Gefühl, als ob da …«
»Julia, allein und allein sind zwei Paar Schuhe. Und irgendwann kommt vielleicht auch für mich der Zeitpunkt, an dem ich mich entscheiden muss, ob ich allein bleiben möchte oder nicht. Und ja, es gibt eine Frau, mit der ich mich sehr gut verstehe. Aber noch ist nichts spruchreif.«
»Aber bevor ihr heiratet, sagst du mir hoffentlich Bescheid.«
»Du wirst die Erste sein, die es erfährt. Doch darüber wollen
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