Thanatos
versehentlich, aber was, wenn er wieder explodieren würde, wie an dem Tag, an dem er den größten Teil der Inselbevölkerung getötet hatte?
Ihr Mund wurde trocken und ihre Kehle zog sich zusammen, als sie das Boot jetzt an das klapprige Dock steuerte. Donnernd trafen seine Stiefel auf das Holz, während sie sich bemühte aufzustehen. Sie wusste nicht, ob ihre Beine so wackelig waren oder das Boot zu sehr schaukelte, jedenfalls war sie kaum in der Lage, aufrecht zu stehen, bis sich seine Hand um ihre schloss und er sie ohne jede Anstrengung aufs Dock beförderte.
Schließlich sah sie ihm in die Augen. Und wünschte, sie hätte es nicht getan.
Eisiger Zorn hatte seine Augen mit einem glasigen Schimmer purer Mordlust überzogen. Sein Blick maß sie von Kopf bis Fuß. Um ihren Gesundheitszustand festzustellen, wie sie vermutete. Als er damit fertig war, öffnete er ein Höllentor und führte sie wortlos hindurch. Sobald sie hinaus- und damit mitten in die Nachwehen des Blutbads vor seiner Festung hineintraten, trafen sie die Ereignisse dieses Tages wie ein Vorschlaghammer in die Rippen.
Die geschwärzten Überreste toter Vampire mischten sich mit dem Blut und den Körperteilen toter Wächter. Wächter, die höchstwahrscheinlich nicht genau gewusst hatten, was die Ältesten planten. Diese hatten sie vermutlich als annehmbare Verluste zugunsten eines übergeordneten Wohls angesehen. Überall um sie herum waren Höllenhunde dabei … das zu tun, was sie halt mit ihren Opfern so taten. Beim Anblick und Gestank des Todes drehte sich Regan der Magen um.
Es gab keine Worte. Nur Grauen und Verzweiflung und das Bedürfnis, ihr Baby in Sicherheit zu bringen.
Thanatos, der ihre Hand nach wie vor fest umklammert hielt, marschierte in die Festung, ohne sie auch nur einmal anzublicken. Drinnen angekommen, ließ er ihre Hand los und begab sich auf dem schnellsten Weg in die Bibliothek. Sie folgte ihm und schloss die Tür hinter sich, als könnte sie damit den Tod, den Verrat und die ganze Welt ausschließen.
Thanatos stand mit dem Rücken zu ihr und starrte die Wiege an. »Warst du daran beteiligt, Regan? Wusstest du, dass die Aegis dich mitnehmen und meine Leute angreifen würde?«
»Ob ich – ?« Sie holte scharf Luft. Er hatte geglaubt, sie habe ihn verraten. Schon wieder. »Nein. Gott, nein. Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatten.«
»Trotzdem, bist du freiwillig mitgegangen?«
Sie blickte auf ihren Bauch hinab, unsicher, was sie antworten sollte.
»Regan?«
»Ich bin freiwillig in den Helikopter eingestiegen. Ich weiß, dass du ihnen nicht traust, aber ich hatte dazu keinen Grund. Doch als sie den Motor anließen und du herausgerannt kamst …«
»Was?« Er wandte sich zu ihr um. Sie hasste den reservierten Ausdruck in seinen Augen. Sie hatten so große Fortschritte gemacht, und dieser Vorfall konnte alles wieder zerstört haben. »Was hast du getan?«
»Ich habe versucht auszusteigen. Und dann waren wir in der Luft, und ich konnte gar nichts mehr tun. Erst als wir auf dem Schiff waren und ich herausfand, warum sie mich mitgenommen hatten, bekam ich eine Chance zu fliehen.«
»Warum sie dich mitgenommen hatten?« Der zurückhaltende Ausdruck verwandelte sich in Verwirrung. »Wollten sie dich nicht von mir wegholen?«
Ihr Herz begann in einem neuen Panikanfall zu hämmern. Wenn Thanatos wüsste, was sie vorgehabt hatten, könnte er sich in einen massiven Wutanfall hineinsteigern. Aber er musste es wissen. So viel war ihm schon vorenthalten worden, aus lauter Angst vor dem, was er tun würde. Es war Zeit, ihn nicht mehr so zu behandeln, als wäre er nur eine Zeitbombe, die jederzeit hochgehen könnte, und ihm einen Vertrauensvorschuss zu geben.
»Mich von dir wegzuholen war nur ein Teil des Plans«, sagte sie ruhig. »Sie wollten das Baby vorzeitig holen.«
»Warum? Haben sie Pestilence gefangen genommen?«
»Nein.« Ihre Stimme war jetzt kaum mehr als ein Krächzen. »Sie wollten … Sie hatten geplant, unseren Sohn zu entbinden … und ihn zu töten.«
Eine Druckwelle der Wut ging von Thanatos aus, und überall um ihn herum schossen Seelen aus seinem Panzer. Hunderte. Tausende. Oh, Scheiße.
Rasch nahm sie seine Hand und legte seine Finger in ihre Handfläche. »Klopfen, Than. Du kannst es schaffen. Du musst nur zählen.«
»Zählen hilft mir längst nicht mehr!«, brüllte er. Er blickte mit zusammengebissenen Zähnen hinunter, und sie wusste, dass er trotz seiner Worte immer noch verzweifelt
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