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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Shilkar ablenken wollte. Zarak lag verwundet in einer Stadt, um die ein vielleicht unbesiegbarer Feind einen immer festeren Belagerungsring zog, und Elirion zweifelte, ob er ihn jemals lebend wiedersehen würde. Er hatte schon zur Gänsefeder gegriffen und versucht, seiner Mutter zu schreiben, aber wie konnte man eine derartige Nachricht in einem Brief mitteilen? Er hätte kaum die Kraft gehabt, es ihr direkt zu sagen, wäre sie jetzt hier bei ihm gewesen, ganz sicher konnte er ihr das nicht schreiben. Vielleicht
war es auch besser, wenn sie es nicht wusste, denn was würde es denn helfen, wenn auch sie sich Sorgen machte? »Es lebe die Unwissenheit, wenn sie den Schmerz erspart«, dachte er voller Zorn.
    Doch Unwissenheit änderte nichts an Tatsachen.
    »Darf ich?«, fragte jemand zwischen den Regalen. Die Worte waren nicht in der allgemein üblichen gemeinsamen Sprache der Völker erklungen, die man in diesen Tagen praktisch als einzige in den Mauern der Burg hörte, sondern in seiner Muttersprache aus dem Menschenreich. Elirion setzte sich auf und versuchte, gefasst zu wirken. Eine dunkle Gestalt kam aus einem Gang auf ihn zu. Der ombresische Hauptmann musterte ihn mit seinen dunklen, tief liegenden Augen, die Hände in den Taschen seines tabakbraunen Wamses vergraben. Sein Gesicht war von Narben gezeichnet, eine zog sich bis zur großen, geraden Nase. Schwarze Haare fielen ihm offen über die Schultern und an der Seite trug er ein Kurzschwert mit geschwungener Klinge.
    Elirion gab ihm ein Zeichen, er möge näher treten. »Komm ruhig her, Huninn. Ich fürchte, ich verschwende hier sowieso nur meine Zeit. Hat man dich nach mir geschickt?«
    Der Ombrier näherte sich langsam, warf einen interessierten Blick auf den Einband des Buches, das Elirion auf den Knien hielt – ein Traktat über geheime Zauber, das ihm allerdings auch nicht weiterhalf –, und setzte sich neben ihn. »Nein«, antwortete er. »Ich bin aus eigenem Antrieb hier. Prinz Alfargus steht oben auf den Wallmauern und streitet wieder mit Oberst Ghandar über dessen Bombarde, und ich habe mich gewundert, dass Ihr nicht bei ihm seid. Dann habe ich Herg allein getroffen, und das kam mir noch seltsamer vor. Ich entschuldige mich für meine Kühnheit, vielleicht wolltet Ihr ja keine Gesellschaft, aber ich hatte das Gefühl, ich sollte Euch suchen.«
    »Und du hast gut daran getan«, gab Elirion zu. In der einsamen Stille der Bibliothek war es ihm fast unerträglich geworden, mit seinen Gedanken allein zu sein. Er betrachtete Huninns offenes Gesicht und die vielen, auf den ersten Blick unauffälligen Narben,
die sich jedoch über die ganze Haut zogen. Er war sicher nicht mehr jung, in seinen Haaren sah man hier und da ein paar graue Strähnen, und nicht nur die Narben hatten sein männliches ebenholzfarbenes Gesicht gezeichnet. Ihm wurde bewusst, wie lange Huninn schon bei ihm war – einer der vielen unauffälligen Schatten der Schwarzen Garde, die ihn stets zu seinem Schutz umgaben – und dass er ihn noch niemals wirklich wahrgenommen hatte.
    »Wie viele Jahre stehst du schon in unserem Dienst, Huninn?«, fragte er ihn nach einer Weile. Der Ombrier überlegte. »Mindestens neunzig«, sagte er. »Ja, es müssen neunzig sein, vielleicht auch noch mehr. So wahr ich Huninn Skellensgard heiße, ich war schon zum Schutz Eures Vaters eingeteilt, da wart Ihr noch nicht einmal geboren. In der Nacht, in der Eure Mutter Euch das Leben schenkte, stand ich draußen vor der Tür Wache.«
    Elirion lächelte und dachte an diese Zeit, als er noch nichts davon wusste, dass er ein Königssohn war, dass er den ständigen Schutz der Schwarzen Wache benötigte, und noch nicht einmal ahnen konnte, dass er eines Tages in einer Bibliothek im Dämonenreich sitzen und sich um seinen todkranken Vater sorgen würde. »Dann hast du miterlebt, wie ich auf die Welt kam.«
    »In mehr als einem Sinn«, stimmte ihm der Ombrier ernst zu. Beim Sprechen sah man seine weißen Zähne in dem schwarzen Gesicht aufblitzen. »Ich bin ein Zauberer, Prinz Elirion. In den Heidelandschaften von Ombra studieren wir diese Künste. Ich kann zwar nicht lesen, aber seit ich ein kleiner Junge war, bin ich vertraut mit Magie. Wisst Ihr, dass sie in der Luft liegt, die wir atmen ? Mit wachsender Erfahrung lernt man sie wahrzunehmen. Ein neues Leben, das auf die Welt drängt, stört das Gleichgewicht. Und Ihr wart, wenn ich das so sagen darf, eine sehr heftige Störung. Denn Euer Geist ist stark.«
    Er

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