THARKARÚN – Krieger der Nacht
hastig nickte und wieder die Allee hinabeilte.
Lisannon musste unwillkürlich an einen Raben denken, als er den Boten in seinem schwarzen Umhang hereinkommen sah. Der Schwarze Hexer ging bis in die Mitte des Raumes und schlug dann mit einer Hand seine Kapuze nach hinten. Er musste sofort blinzeln, weil ihn das Licht der Lampen blendete. Lisannon betrachtete ihn: Er hatte leuchtend blaue Haare und statt der sonst üblichen magischen Münzen hatte er ein mit Runen besticktes Stoffband in seinen langen Zopf eingeflochten. Seine messerscharfen Augen musterten einen Moment lang den Elbenoberst, und Lisannon meinte, darin Missbilligung oder zumindest
einen leichten Zweifel zu lesen. Da wurde ihm bewusst, dass er nicht einmal aufgestanden war, um den Neuankömmling zu begrüßen, und er holte das schleunigst nach.
»Möge das Glück auf Eurer Seite sein«, hieß er ihn willkommen. »Ihr habt eine lange und beschwerliche Reise hinter Euch. Setzt Euch und erzählt.«
Der Hexer antwortete mit einer neutralen Grußformel und nahm Platz; sein finsterer Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. In der Tür erschien wieder der Novize mit einem Krug Wasser und Gläsern in der Hand, die er Sirio reichte, bevor der ihn endgültig fortschickte.
»Verzeiht mir, wenn ich Euch nichts anderes anbieten kann«, entschuldigte sich der Druide und stellte Gläser und Krug auf den Tisch. »Gemäß unseren Vereinbarungen haben wir zu diesem Zeitpunkt keine Boten erwartet. Ist etwas außergewöhnlich Wichtiges geschehen?«
Der Bote nippte nur ganz wenig an dem Glas Wasser, das ihm Sirio reichte. »Ja«, antwortete er und seine Stimme klang tief und ein wenig rau. »Ein großes Unglück.«
»Dann erzählt uns davon«, forderte Sirio ihn auf. Er setzte sich zwischen den Hexer und Lisannon, wofür ihm der Elbenoberst sehr dankbar war. Er konnte den verletzten, beinahe feindseligen Blick, mit dem dieser blauhaarige Dämon ihn ansah, nicht ertragen.
Der Hexer nahm noch einen kleinen Schluck aus seinem Glas. Auf seinem Handrücken verliefen schwarze, von Zauberkraft eingeritzte Linien, und Lisannon fragte sich, wo er wohl seinen Stab gelassen hatte, denn schon als der Dämon hereinkam, war ihm aufgefallen, dass er keinen dabeihatte. Der Oberst kannte zwar nicht gerade viele Zauberer, aber zumindest wusste er ganz bestimmt, dass sich keiner von ihnen gern von seinem Stab trennte.
»Shilkar ist umzingelt worden«, erklärte der Bote und nur mühsam kamen die Worte über seine Lippen. Es musste schwer für ihn sein, von diesen Dingen zu berichten, jede einzelne Silbe
schien wie ein Tiefschlag gegen seinen Stolz. »Jede Nacht haben wir gegen die Gremlins gekämpft und unsere Stadt hat ihnen standgehalten. Jetzt ist etwas vorgefallen, das die Situation verändert hat. Der ehrwürdige Shannon, Oberhaupt unseres Ordens, und Gavrilus Sulpicius, König der Elben, sind übereingekommen, dass die Lage unhaltbar sei und man die Stadt unverzüglich räumen müsse. Alle Einwohner von Shilkar sind auf dem Weg nach Carith Shehon, aber der Feind schlägt überall im Dämonenreich zu, und wir wissen nicht, wie lange wir die anderen Städte noch halten können. General Asduvarlun hat uns bereits mitgeteilt, dass man möglicherweise die Vorposten räumen und sich weiter nach Süden auf eine leichter zu verteidigende Position zurückziehen sollte.«
Lisannon lauschte angespannt und nagte dabei nervös an seiner Unterlippe. Sirio hatte sich leicht zu dem Boten hinübergebeugt und sah fast aus, als wolle er eine Beichte abnehmen. »Und das Volk?«, fragte er leise. »Was möchte General Asduvarlun für die Leute tun? Man kann nicht die gesamte Bevölkerung des Dämonenreiches in Sicherheit bringen, und das weiß er.«
»General Asduvarlun ist der Überzeugung, dass, sobald das vereinte Heer der acht Völker weiterzieht, ein Großteil der Feinde ihm folgt«, erklärte der Bote. »Er meint, hier wird jetzt tatsächlich ein Krieg geführt. Solange es dem Feind nur darum ging, Angst und Schrecken zu verbreiten, hat er sich an die Bevölkerung gehalten. Doch jetzt hat sich das Ganze zu einem regelrechten Krieg ausgewachsen, selbst wenn seine Kämpfer sich nicht in Reih und Glied auf dem Schlachtfeld aufstellen, sondern aus dem Hinterhalt angreifen. Daher, meint der General, wird das Heer sein Ziel sein.«
»Und was haltet Ihr davon?«
Der Hexer schaute verwundert zu Sirio auf. Sehr verständlich, dachte Lisannon, schließlich war er nur ein Bote, und normalerweise
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