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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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sich den Tatsachen stellen.
    Dhannam ließ Alfargus’ Körper los, der auf seine Knie zurücksank, und blickte mit tränenfeuchten Augen zu seinem Vater und zu General Asduvarlun auf. »Er ist nicht tot«, flehte er mit gebrochener Stimme. »Das ist er doch nicht, oder?«
    Niemand antwortete ihm, dafür hob hinter ihm Lay Shannon erneut die Rechte und aus seiner Handfläche strahlte ein goldenes Licht, das die Gasse beleuchtete. Darin erkannten alle eine mit magischen Runen bedeckte Doppelaxt, deren Klinge unversehrt war und die nicht weit von ihnen auf dem Boden lag. Und sie sahen Alfargus’ Gesicht, das von Schmerz so verzerrt war, dass es geradezu grotesk wirkte. Und sie sahen etwas noch weit Schlimmeres: die Würgemale an seinem Hals. Ganz deutlich erkannte man dort Zeichen einer schweren Verbrennung, den Abdruck einer Hand. Dhannams Frage würde unbeantwortet bleiben: Sie hatten die Wahrheit vor Augen und niemand vermochte sie auszusprechen.
    General Asduvarlun trat vor und schob Dhannam höflich aber entschieden beiseite, er beugte sich über Alfargus und hob ihn behutsam auf. Dhannam sah, wie die Hand seines Bruders in der Luft hing, während der General ihn hochnahm wie ein schlafendes Kind. Doch Alfargus schlief nicht und alle wussten das.
    Auch Dhannam stand wieder auf, wie in Trance. Er wusste kaum noch, was er tat, und erst jetzt suchte sein Blick Gavrilus’ Augen. Der Ausdruck in den Augen seines Vaters, den er im Licht von Shannons Magie wahrnahm, war schier unerträglich für ihn. Als er seinen Bruder auf dem Boden entdeckte, hatte Dhannam gespürt, wie etwas in ihm zerbrach, doch dies war nichts im Vergleich zu dem namenlosen Schmerz, den er nun in
Gavrilus’ blauen Augen las. Nichts konnte schlimmer sein, nicht einmal der Tod.
    Während er den Blick abwandte, bemerkte Dhannam gerade noch, dass Elirion Fudrigus die Doppelaxt aufgehoben und sie über seine Schulter gehängt hatte.
    Man hatte Alfargus Sulpicius auf das Bett in seinem Zimmer oben im Turm von Carith Shehon gelegt und nun versammelte sich eine kleine Gruppe Trauernder um ihn. Dhannam war auf einen Hocker gesunken und wusste nicht, wie er jetzt weiterleben sollte. Gavrilus, der neben ihm saß, wirkte, als sei er am Boden zerstört. General Asduvarlun, der hinter ihnen stand, wirkte gefasst wie immer, aber man spürte seinen ungeheuren Schmerz.
    Die gesamte Stadt trauerte, und das nicht nur, weil man den Thronerben des Elbenreiches verloren hatte, obwohl es kaum etwas Schlimmeres geben konnte.
    Man hatte Elirion auch über Zaraks Schicksal informieren müssen. Der Thronfolger der Menschen, nicht minder temperamentvoll, als es Alfargus gewesen war, machte danach den Eindruck, als habe er den Verstand verloren. Man hatte beobachtet, dass er wie rasend aus der Festung gerannt war, sich über die Bahre mit Zaraks Leiche geworfen hatte und von Schluchzen geschüttelt wurde. Keinen Moment lang hatte Elirion Fudrigus daran gedacht, dass ihm jetzt der Titel des Königs über das Menschenreich gebührte, und ihm war nicht einmal entfernt der Gedanke gekommen, dass er ab jetzt die würdevolle Fassung zeigen musste, die man von einem König erwartete. Bis spät in die Nacht hatte er an der Leiche seines Vaters gewacht, Huninn und Herg in respektvollem Abstand mit ihm. Die beiden hatten nicht gewagt, ihm vorzuschlagen, dass er seinen Posten verlassen und sich ausruhen sollte, weil er dringend Schlaf brauchte.
    Zarak hatte man im Zimmer neben dem Raum aufgebahrt, in dem Elirion bis zur vergangenen Nacht geschlafen hatte. Elirion war gerade schweigend in Alfargus’ Zimmer erschienen und
war mit geröteten Augen sichtlich darum bemüht, den Eindruck zu vermitteln, als sei er gefasst und entschlossen, sich nicht von den schlimmen Umständen besiegen zu lassen. Er trug immer noch die Doppelaxt über der Schulter, die er in jener Gasse aufgehoben hatte, und seinen Bogen. Als er sich dem Bett näherte, auf dem Alfargus lag, spürte jeder, dass er diesen Verlust genauso schmerzhaft empfand wie den seines Vaters.
    »Wir haben einander nicht gerade gemocht«, erklärte er mit gebrochener Stimme. »Und oft miteinander gestritten. Doch Euer Sohn, König Gavrilus, war sehr mutig.« Er nahm dessen Hand, und Dhannam sah, dass sie ein wenig zitterte.
    Gavrilus nickte schweigend, doch es schien, als kostete ihn jede kleinste Bewegung ungeheure Kraft. Seine Augen kehrten immer wieder trauernd zu dem leblosen Körper zurück, der bis vor wenigen Stunden sein Sohn

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