THARKARÚN – Krieger der Nacht
zu vermodern.
Doch welche Entscheidung er auch traf, von dem, was sie hier unten sagten oder taten, würde nichts an die Außenwelt dringen, denn die ombresische Garde war durch ein absolutes Schweigegelübde gebunden. Ihre Mitglieder hatten ein ewiges Versprechen abgegeben, die heiligste magische Verpflichtung. Sie hatten geschworen, nie und unter keinen Umständen etwas von dem zu
erzählen, was sie hörten oder sahen. Und der Bruch eines ewigen Versprechens brächte ihnen einen unverzüglichen, grausamen Tod.
»Wir steigen jetzt zur tiefsten Ebene des Gefängnisses hinab«, erklärte Zarak dem Magus, und Elirion war irgendwie erleichtert, in dieser drückenden Luft, die noch von den Schreien der Gefangenen widerhallte, die Stimme seines Vaters zu hören. »Unsere Wachen nennen es schlicht das ›Höllenloch‹. Niemand, der dorthin verbannt wurde, ist bislang wieder freigekommen. Dort unten landet wirklich nur der übelste Abschaum, der abscheulichste aller Verbrecher. Und der Mann, den wir nun aufsuchen, ist der schlimmste von ihnen. Ihr werdet von ihm gehört haben, sein Name hat in allen acht Reichen traurige Berühmtheit erlangt. Lange hat man sich von dem heftigen Kampf bei seiner Gefangennahme vor vier Jahren erzählt. Er stand allein gegen vierzig Mann, vierzig Schwarze Garden wohlgemerkt, die Besten der Besten. Wir hatten nicht geglaubt, dass wir ihn lebend fangen würden. Er hat bei diesem Kampf ein Auge verloren und siebenundzwanzig meiner Männer umgebracht, ehe wir ihn überwältigen und entwaffnen konnten.«
»Hier im Gefängnis hat er noch zwei Männer getötet«, fügte der Ombrier düster an, ohne sich umzudrehen. Die Fackel in seiner Hand sprühte krachend Funken. »Mit bloßen Händen gegen unsere stählernen Klingen. Das war, bevor wir ihn hier ins Höllenloch gesteckt haben. Fast wäre es ihm gelungen zu fliehen. Ich werde es mir niemals verzeihen, dass ich ihn unterschätzt habe.« Auch im Halbdunkel konnte Elirion sehen, wie der riesige Wachmann dabei die Kiefer aufeinanderpresste. »Ich rate euch, kommt ihm nicht zu nahe. Auf den ersten Blick wirkt er ganz harmlos. Aber ich habe noch niemanden gesehen, auf den dieses Wort so wenig zutrifft wie auf diesen Kerl. Und glaubt mir, ich habe schon vieles gesehen.«
Sie waren an einer riesigen, mit zahlreichen Beschlägen und Riegeln verstärkten Metallplatte angelangt, die den Zugang zum
letzten Teil des Stollens versperrte. Auf ihr waren weder Schlösser, Ketten noch andere Schließmechanismen zu erkennen. Stattdessen überzogen magische Symbole die Stahlplatte, die in der Dunkelheit funkelten. Die Tür war mit einem der mächtigsten Bannzauber verschlossen, den die Zauberer der acht Reiche kannten. Elirion spürte sogar auf die Entfernung, wie die Magie ihm kribbelnd in die Nase stieg.
Der Magus beobachtete mit seinen aufmerksamen Augen, die tief unter den buschigen roten Brauen lagen, wie der Ombrier seine Finger über die Stahlplatte wandern ließ und zu einem seltsamen Singsang von Befehlen seine Hand von einem Symbol zum anderen führte. Merkwürdige Zahlen leuchteten bei seiner Berührung auf und sandten kreischende Geräusche aus. »Morosilvo Dan Na’Hay«, sagte er dann leise zu Zarak, doch vielleicht sprach er auch nur mit sich selbst. »Ja, dieser Name ist selbst bis zu mir vorgedrungen. Um ihn ranken sich beinahe schon Legenden. Einige von den Geschichten sind wahr, andere pure Erfindung. Und die Geschichten, die am unglaublichsten klingen, entsprechen der Wahrheit.«
»Das ist nur natürlich, wenn es um jemanden dieses Schlages geht«, erwiderte Zarak fast schon angeekelt. »Auch der Fantasie sind Grenzen gesetzt, die nur noch von der Realität übertroffen werden können. Nehmen wir nur diesen Mann, Morosilvo: Keine erfundene Figur könnte sein wie er. Ein Sklavenhändler, Mörder, Entführer, den wahrscheinlich sein Lebtag noch kein schlechtes Gewissen geplagt hat und bei dem ich mir nicht einmal sicher bin, ob er überhaupt weiß, was es heißt, eine Seele zu besitzen. Wir haben einige der armen Teufel aus seinen Händen befreien können – sie waren nur noch Schatten ihrer selbst. Und als ihm der Prozess gemacht wurde und diese Ärmsten von ihrer Leidenszeit erzählten, was tat er da? Er grinste. Irgendwann ist er sogar in Gelächter ausgebrochen, und wohlgemerkt, er ist nicht verrückt, sondern bei klarem Verstand. Es hat ihn nur erheitert, mehr nicht. Nein, er ist bestimmt nicht verrückt, das war er nie
und das ist er
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