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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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enthüllten strenge, bleiche Gesichter mit schmalen, lang gezogenen Augen, umrahmt von sehr langen Haaren, in denen Zaubermünzen klirrten. Ihre nackten, beinahe durchsichtigen Füße schienen über dem Platz zu schweben. Ab und zu hob ein jäher Windstoß ihre schwarzen Gewänder.
    Kalte Stimmen ertönten, schwangen sich auf über den Tönen der Schalmeien und sangen Worte in einer Sprache, die wohl nur
die Götter verstehen konnten. Die tiefen Stimmen mischten sich in einer kehligen Sprache unter die sanften Klänge der Doppelflöten, das höhnische Kichern der Zimbeln und das Zirpen der Harfe.
    Zarak Fudrigus trat näher an Lay Shannon heran. »Was tun sie?«, fragte er flüsternd, als wolle er den Gesang nicht stören. »Warum tanzen sie?«
    Lay Shannon wandte sich ihm zu und antwortete: »Sie beten. Sie rufen Talon an, auf dass er ihnen die Kraft verleihe, der dunklen Macht entgegenzutreten und sie zu unterwerfen.« Dann zögerte er kurz, bevor er hinzufügte: »Dieser Gesang ist ein Vorbote des Kampfes.«
    Dhannam überkam der ebenso überraschende wie unverständliche Wunsch, sich ihrem Tanz anzuschließen, das Gebet an den Gott Talon und die Begeisterung für den bevorstehenden Kampf auch seinen Körper durchströmen zu lassen, sich selbst zu vergessen, zumindest so lange, bis die Musik verstummte.
    Durch die Fenster der Festung konnte man erkennen, wie Carith Shehon wieder im Nebel versank. Das Refugium der Wahrsager hob sich wie eine ferne verschwommene Silhouette vor dem Hintergrund ab und durch eine seltsame optische Täuschung wirkte es, als schwebe es über dem grauen Staub. Der Wind hatte sich gelegt und brachte die hohen, schmalen Spitzbogenfenster nicht mehr zum Erzittern, der Raum war nun in Stille versunken. Vielleicht dämpfte der Nebel auch alle Außengeräusche. Der Himmel war wieder mit dicken grauen Wolken bedeckt. Keine Sonne erhellte die verlassenen Straßen, auf die nur ein schwaches graues Licht fiel. Der Tag brach an, als hätte man ihn in Stein gemeißelt.
    Alfargus Sulpicius verließ kopfschüttelnd das Fenster. Hier in dieser Stadt, abgeschnitten von der übrigen Welt, überdachte er wütend seine Situation: Sein Vater, sein Lehrer und auch sein jüngerer Bruder, der noch nicht reif genug war für ihre furchtbare
Lage, alle waren sie weit weg. Das Gleiche galt für seine Schwester, die eigentlich seine Hilfe benötigte und stattdessen nach Astu Thilia verbannt worden war wie in ein luxuriöses Gefängnis. Auch sie war allein, dazu schwanger und vollkommen ahnungslos. Wie leicht konnte sie jetzt ihren Vater, zwei Brüder und den geliebten Mann verlieren. Bei dem Gedanken an Adilean und ihr Schicksal packte Alfargus die kalte Wut. Er hatte es immer als seine Pflicht angesehen, sie zu beschützen, und nur die Disziplin, die Asduvarlun ihn gelehrt hatte, hinderte ihn daran, seinen Posten zu verlassen, um zu ihr nach Astu Thilia zu eilen.
    Mit wem sollte sie über das Unglück reden, das ihr drohte und dem sie nicht einmal einen Namen zu geben vermochte? Wer würde sie umarmen und trösten? Sein Vater war durch ein ewiges Versprechen gebunden, und er würde es mit dem Leben büßen, wenn er es brach. Er und sein Bruder mussten an die Rettung der acht Reiche denken und ihr eigenes Leben diesem Ziel unterordnen. Amorannon Asduvarlun, der wie immer vor allem seiner Pflicht diente, ließ alles andere außer Acht.
    Alfargus tadelte Gavrilus nicht für das, was er getan hatte, aber er wusste, dass er an seiner Stelle nie so hätte handeln können. Lieber würde er Thix Velinan und die acht Reiche opfern, aber Adilean durfte nichts geschehen!
    Hatte ihn General Asduvarlun vielleicht nicht genügend abgehärtet ?
    Alfargus Sulpicius hatte in seinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal an sich gezweifelt. Dieses absolute Selbstvertrauen war sein Schutz gewesen. Doch jetzt schwankte diese Überzeugung, gerade in dem Moment, in dem sie besonders unerschütterlich sein musste. Er hatte sogar begonnen, Elirion Fudrigus’ Angriffe zu fürchten, so sehr war sein Vertrauen in seine Fähigkeiten geschwunden ! Bisher hatten ihn kritische Stimmen nie ins Grübeln gebracht, weil er sicher gewesen war, dass er keinen Fehler machte. Nun wusste er, dass Elirions Bemerkungen über ihn eine gewisse Berechtigung haben konnten.

    Während er das Zimmer mit langen Schritten durchquerte, suchten seine Augen an den kahlen Wänden vergebens nach etwas Ablenkung. Aber da war nichts, nicht einmal ein Spinnennetz. Nur ein

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