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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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aufmerksam, während er ein Päckchen Taschentücher hervorzog. »Sie sollten sich vielleicht besser hinsetzen, Frau Direktorin.« Er schob sie sanft Richtung Lehrerzimmer. »Ich komme in einer Minute zu Ihnen.«
    Sobald die Direktorin verschwunden war, drehte sich Nick zu mir um.
    »Haben die Leute in deiner Gegenwart oft Nasenbluten?«
    Seine Stimme klang vollkommen ruhig. Nach kurzem Zögern nickte ich.
    »Haben sie etwas bemerkt?«
    »Bisher hat mich noch niemand als widernatürlich bezeichnet.« Ich suchte seinen Blick. »Wissen Sie, warum das passiert?«
    Er sah sich kurz um. »Eventuell«, sagte er dann.
    »Erklären Sie es mir, bitte!«
    »Dr. Nygård?« Miss Briskin streckte ihren Kopf aus dem Lehrerzimmer. »Die Schulräte würden jetzt gerne mit Ihnen sprechen.«
    »Bin schon unterwegs.« Sobald sie weg war, flüsterte Nick mir ins Ohr: »In ein paar Tagen komme ich wieder. Melde dich auf keinen Fall für die Universitätskurse an, Paige. Noch nicht. Vertrau mir.«
    Er drückte meine Hand. Dann war er weg, genauso unvermittelt, wie er aufgetaucht war. Ich stand mit heißen Wangen da und drückte mit schweißnassen Händen meine Bücher an mein klopfendes Herz. Kein Tag war vergangen, an dem ich nicht an Nick gedacht hatte, und nun war er zurückgekommen. Ich versuchte mich zu beruhigen und ging in meine Klasse, auch wenn es mir immer noch schwerfiel, deutlich zu sehen oder einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte sich an meinen Namen erinnert. Er wusste noch, dass ich das kleine Mädchen war, das er gerettet hatte.
    *
    Ich rechnete nicht wirklich damit, dass er kommen würde. Jetzt, wo er in der Welt vorangekommen war, konnte ich schließlich nicht so wichtig für ihn sein. Doch zwei Tage später wartete er vor dem Schultor auf mich. An diesem Vormittag war etwas Seltsames passiert: Ein Tagtraum hatte mich überfallen, in dem ein silbernes Auto vorkam. Das Bild war während der Französischstunde erschienen, und hinterher war mir ganz schwummrig. Jetzt stand genau dieses Auto draußen, mit Nick am Steuer. Er trug eine Sonnenbrille. Wie im Traum löste ich mich aus dem Pulk der Mädchen und trat an sein Fenster. Er beugte sich zu mir raus.
    »Paige?«
    »Ich habe nicht geglaubt, dass du zurückkommen würdest.«
    »Wegen des Nasenblutens.«
    »Ja.«
    »Deswegen bin ich gekommen.« Er ließ die Sonnenbrille auf die Nasenspitze herunterrutschen, sodass ich seine Augen sehen konnte. Sie wirkten müde. »Wenn du mehr darüber wissen willst, kann ich es dir erklären, aber nicht hier. Kommst du mit mir?«
    Vorsichtig sah ich mich um. Keine der Schülerinnen beachtete uns. »Also gut.«
    »Danke.«
    Nick brachte mich von der Schule weg. Während er auf die zentrale Parzelle zusteuerte, warf er mir immer wieder kurze Blicke zu. Ich sagte nichts. Als ich im Außenspiegel mein Gesicht sah, wurde mir klar, dass ich knallrot angelaufen war. Es gab so vieles, worüber ich mit ihm reden wollte, aber meine Zunge versagte komplett den Dienst. Nach einigen Minuten sagte Nick: »Hast du deinem Vater je erzählt, was damals auf dem Feld passiert ist?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Du hast doch gesagt, ich soll es nicht tun.«
    »Gut. Das ist ein Anfang.« Seine Finger schlossen sich fester um das Lenkrad. »Ich werde dir einige Dinge erzählen, die du nicht verstehen wirst, Paige. Du bist nicht mehr so, wie du vor diesem Tag warst, und du musst wissen, warum das so ist.«
    Ich starrte stur auf die Straße vor uns. Das musste er mir nicht sagen. Schon lange vor dem Vorfall auf dem Feld hatte ich gewusst, dass ich anders war; selbst als Kind hatte ich schon ein sehr sensibles Gespür für Menschen gehabt. Manchmal hatte ich kleine Erschütterungen gespürt, wenn sie an mir vorbeigingen, ein Gefühl, als hätte ich einen Strom führenden Draht gestreift. Doch seit damals hatte sich einiges geändert. Jetzt konnte ich Menschen nicht nur spüren – ich konnte sie auch verletzen. Ich konnte sie bluten lassen, ihnen Kopfschmerzen verpassen oder dafür sorgen, dass sie nicht mehr richtig sahen. Manchmal schlief ich im Unterricht ein und war schweißgebadet, wenn ich wieder aufwachte. Die Krankenschwester war der Mensch an der Schule, der mich am allerbesten kannte.
    In mir regte sich etwas, und es drängte ans Licht. Irgendwann würde die Welt es zu sehen bekommen.
    »Ich kann dir dabei helfen, es zu kontrollieren«, sagte Nick. »Ich kann dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist.«
    So wie schon einmal. »Kann ich dir noch

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