The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
vielleicht hat sie es ein- oder zweimal erwähnt, aber was ist denn daran so schlimm?«
Ich habe das Gefühl, dass ich mich gleich noch einmal übergeben muss.
Lass bitte meine Mutter aus dem Spiel. Das ertrage ich heute nicht auch noch. Aber statt es laut auszusprechen, hebe ich einen abgebrochenen Zweig vom Ufer auf und werfe ihn in das schwarze Eisloch.
»Hey, weinst du etwa?«, fragt er erstaunt.
»Quatsch.«
»Natürlich weinst du.« Er klingt fast triumphierend. »Nach außen hin tust du immer so, als wärst du extrem cool, aber in Wirklichkeit bist du gar nicht so abgebrüht. Nein, in Wirklichkeit bist du total romantisch und willst einfach nur geliebt werden. «
Will das nicht jeder? Ich hole gerade zu einer Antwort aus, als mich etwas in seinem Gesicht den Mund wieder schließen lässt. Seine Miene ist ablehnend und gleichzeitig seltsam sehnsüchtig. Bietet er mir seine Liebe an oder wirft er sie mir vor die Füße?
Meine Knie werden weich. Wenn ich doch nur wüsste, was dieser Blick zu bedeuten hat! Mich überfällt plötzlich die Gewissheit, dass dieser Moment jetzt entscheidend ist und dass ich mich für immer an ihn erinnern werde. »Warum?«, frage ich. »Warum hat Lali meine Klamotten verschwinden lassen?«
»Weil sie dich ärgern wollte.«
»Mich ärgern?«
»Was weiß ich. Sie meinte, ihr beiden würdet euch ständig irgendwelche Streiche spielen. Einmal sollst du ihr sogar Abführkaugummis gegeben haben, bevor sie einen Wettkampf hatte.«
»Da waren wir zwölf.«
»Na und?«
»Ich bitte dich, Sebastian, du wirst …«
»Willst du jetzt mit mir Schluss machen?«, unterbricht er mich plötzlich.
»Oh Gott.« Ich ziehe mir die Wollmütze über die Augen. Deswegen also der Besuch bei mir zu Hause und die Einladung zum Schlittschuhlaufen. Er will mit mir Schluss machen, ist aber zu feige und versucht deshalb, mich dazu zu bringen, mit
ihm Schluss zu machen. Und deswegen hat er gestern Abend auch mit Donna LaDonna getanzt. Er verhält sich absichtlich wie ein Riesenarschloch, damit mir gar keine andere Wahl bleibt, als mich von ihm zu trennen.
Nicht dass ich in den vergangenen zwölf Stunden nicht schon darüber nachgedacht hätte.
Während ich in dem Club in Provincetown mit Walt und Randy getanzt hatte, war der Gedanke, mit diesem »Scheißkerl« Schluss zu machen, wie Raketentreibstof gewesen, der mich in eine Stratosphäre unendlicher Seligkeit katapultierte. Ich tanzte immer ausgelassener und wilder, stampfte meine ganze Wut aus mir heraus und fragte mich, wozu ich jemanden wie Sebastian brauchte, wenn ich dafür das hier haben konnte – diese Armada junger Männer mit muskulösen schweißglänzenden Oberkörpern, die im Stroboskoplicht glitzerten und funkelten wie Glühwürmchen. Wenn ich stattdessen Spaß haben konnte.
»Scheiß auf Sebastian!«, brüllte ich und schwenkte die Arme in der Luft wie eine in Trance gefallene Gläubige beim Erweckungsgottesdienst. Und dann tanzte Randy auf mich zu und rief: »Im Leben passiert nichts ohne Grund, Süße!«
Aber jetzt bin ich plötzlich verunsichert. Möchte ich wirklich mit ihm Schluss machen? Er würde mir fehlen. Und mein Leben wäre definitiv langweilig ohne ihn. Außerdem kann man ja nicht einfach so von einem Tag auf den anderen seine Gefühle umprogrammieren.
Und angenommen – nur mal angenommen – Sebastian ist derjenige, der Angst hat? Angst davor, ein Mädchen zu enttäuschen? Nicht gut genug für sie zu sein? Vielleicht stößt er sie dann lieber von sich, bevor sie herausfinden kann, dass er in Wahrheit gar nicht so toll und besonders ist, wie er immer tut.
Als er gesagt hat, dass ich äußerlich cool bleibe, in Wirklichkeit aber nur geliebt werden will, da hat er vielleicht gar nicht von mir gesprochen, sondern unbewusst von sich selbst.
»Keine Ahnung. Muss ich das jetzt entscheiden?« Ich ziehe meine Mütze wieder hoch und sehe ihn an.
Ofensichtlich hätte ich gar nicht besser reagieren können, denn er strahlt mich an und sagt: »Du bist total verrückt, weißt du das?«
»Du auch.«
»Bist du ganz sicher, dass du nicht mit mir Schluss machen willst?«
»Ja. Aber nur, weil du dir anscheinend so sicher bist, dass ich es will. So berechenbar, wie du denkst, bin ich nämlich nicht.«
»Oh, keine Sorge. Das weiß ich.« Er greift nach meiner Hand und wir gleiten über das Eis.
»Ich will ja, aber ich kann nicht«, flüstere ich.
»Warum nicht?«
Wir liegen in seinem Bett.
»Hast du Angst?«, fragt
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