The Curse - Im Schatten der Schwestern (German Edition)
des Vaters entfernt und sah nun besorgt auf dessen Brust.
„Der Pfeil sitzt tief, aber es blutet nicht stark. Wenn ich den Pfeil herausziehe, kann es sein, dass ich ihn damit noch weiter verletze. Was sollen wir tun?“, fragte er unsicher.
Kyle, dessen Augen zu schmalen Schlitzen verengt waren, vermutlich um seine Tränen zu verbergen, schüttelte ebenso ratlos den Kopf.
„Ich weiß es nicht. Wir brauchen Hilfe. Und zwar schnell!“
„Wir müssen ihn wegschaffen. Es ist zu gefährlich hier. Am besten bringen wir ihn zu McRae in die Hütte.“
Kyle nickte. Payton sah die Hände seines Bruders zittern, als dieser seinem Vater zärtlich die Schweißperlen von der Stirn tupfte. „Halt’ durch, Vater, halt’ durch“, murmelte er beschwörend.
„Hilf mir. Ich breche den Pfeil ab, damit wir die Wunde für den Transport zumindest notdürftig verbinden können“, sagte Payton.
Kyles Gesicht hatte sich weiß verfärbt, aber er biss die Zähne zusammen und erfasste den Pfeil knapp oberhalb der Eintrittsstelle. Payton versuchte, den Schaft direkt darüber abzubrechen, ohne ihn dabei weiter in den Leib hineinzustoßen oder die Wunde noch stärker aufzureißen. Mit einem leisen Knacken brach das Holz. Die Brüder stießen erleichtert zeitgleich die Luft aus. Nur noch zwei Fingerbreit ragte der Schaft aus der Brust ihres Vaters heraus. Payton trennte einen breiten Streifen von seinem Plaid ab, und gemeinsam schafften sie es, Fingal anzuheben, um ihm diesen wie einen Verband um die Brust zu wickeln.
Fingal in diesem Zustand auf ein Pferd zu schaffen, war eine große Herausforderung, aber es gelang ihnen, ihn vor Kyle in den Sattel zu heben. Obwohl man Kyle mit seinen sechzehn Jahren schon ansah, dass er zu einem ebenso starken Mann heranwuchs wie sein Vater und seine Brüder, hatte er alle Mühe, den Verwundeten aufrecht vor sich zu halten.
„Reite gleich los. McRae soll dir helfen, ihn in die Hütte zu schaffen. Legt ihn hin und sorgt dafür, dass er immer etwas Wasser zu sich nimmt. Ich werde die anderen holen, und dann bringen wir Vater nach Hause.“
Kyle nickte und fasste die Zügel fester, damit das Pferd ruhig blieb. Er fürchtete, schon die kleinste Bewegung könnte den Pfeil noch tiefer in seines Vaters Brust treiben.
„Payton?“, flüsterte er unsicher. „Payton, was … was, wenn er stirbt?“ Diesmal konnte er seine Tränen nicht verbergen.
Entschlossen hob Payton den Kopf, sah Kyle in die Augen und schwor:
„Er stirbt nicht! Nicht durch die Hand eines Viehdiebes, das schwöre ich! Und jetzt los, verlier’ keine Zeit – wir treffen uns bei McRae.“
Kyle ließ sein Pferd antraben, und Payton bat im Stillen um Vergebung dafür, seinem Bruder einen Eid geleistet zu haben, an den er selbst nicht recht glauben konnte. Er hob die Waffen vom Boden auf und sah zu der Handvoll Schafe, die mit gefesselten Vorderhufen beisammenstanden und leises Blöken von sich gaben. Eigentlich hatten sie vorgehabt, McRae die Tiere zurückzubringen, aber nun würden sie den Weg allein zurückfinden müssen. Rasch schnitt er ihnen die Fesseln durch und trieb sie in die richtige Richtung.
Dann machte er sich auf den Weg, dorthin, wo alle drei Ländereien aneinanderstießen. Im Norden das weitläufige Land der Camerons, im Osten das Land seines Vaters, das der McLeans, und im Westen die saftigen Hügel und weißen Küsten des Stuartclans. Dort würden bereits die beiden anderen Gruppen, die ebenfalls das Grenzland nach Viehdieben und Wegelagerern absuchten, auf sie warten.
Diese Patrouillen waren eine nötige Reaktion auf die zunehmenden Überfälle und Diebstähle in den letzten Monaten. Cathal Stuart hatte die McLeans um Hilfe gebeten. Diese konnte Fingal seinem Bündnispartner nicht verwehren, auch wenn sie selbst von den Überfällen bisher verschont geblieben waren.
Trotzdem war die Sicherheit im Grenzland ein gemeinsames Anliegen. Wenn es keinen Krieg zwischen den Clans geben sollte, dann mussten diese Übergriffe verhindert werden. Die Wunden, entstanden durch die alte Blutfehde zwischen den Stuarts und den Camerons, würden auch ohne diese Probleme niemals heilen. Und Cathal war noch nicht lange das Oberhaupt des Clans. Er musste dringend beweisen, dass er würdig war, seine Männer zu führen, in der Lage war, den Clan zu schützen und ihn auch zu verteidigen.
Die Überfälle hatten die Stimmen derer anschwellen lassen, die sich statt Cathal noch andere Männer als Clanführer vorstellen konnten. Immerhin
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