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The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

Titel: The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Rehage
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einen Reisepass hätte. Aber muss wirklich jeder Schritt zu Fuß sein?«
    Ich blicke ihn verständnislos an. »Natürlich muss jeder Schritt zu Fuß sein.«
    »Ein Mädchen wartet ein Jahr auf dich, vielleicht zwei oder drei Jahre, aber was machst du, wenn du erst nach fünf Jahren zu Hause ankommst, und sie ist nicht mehr da? Dann feiern dich die Leute vielleicht als Held, aber ist das dann wirklich so toll?«
    Lehrer Xie zieht genüsslich an seiner Zigarette, er ist braun gebrannt, seine Haare und sein Bart sind lang, aber ordentlich, er trägt ein Hemd mit Kragen. Er sieht zivilisierter aus als ich, das wird mir schlagartig klar.
    Wir laufen bis kurz vor ein Dorf, dann trennen wir uns, nachdem wir unsere Handynummern ausgetauscht haben. Lehrer Xie wird sich eine Stelle suchen, um in seinem Karren zu übernachten, ich will im Dorf mein Glück versuchen. Wir stehen am Straßenrand, die Abenddämmerung senkt sich über die Felder, ich höre Grillen und von irgendwo her das traurige Blöken einer Schafherde.
    Lehrer Xie streckt mir die Hand entgegen. Er ist jetzt anders als noch am Vormittag, das Koboldhafte ist verschwunden, er ist ernster. »Denk darüber nach, was ich dir gesagt habe«, ermahnt er mich.

SPIELEN
    Im Dorf brennt nur noch ein einziges Licht in einem Kiosk.
    »Gibt es hier ein Gasthaus?«, frage ich den Besitzer, einen hageren Mann, der ein Buch liest. Er schüttelt den Kopf. »Wir hier sind nur ein kleines Dorf, und die Stadt ist nicht sehr weit entfernt.«
    »Wie weit?«
    »Dreißig Li .«
    Soll ich weiterlaufen? Einen Schlafplatz in den Feldern suchen? Lehrer Xie anrufen?
    Ich schiebe die Lamellen an der Eingangstür zur Seite und blicke nach draußen, aber meine Augen sind nicht an die Finsternis gewöhnt.
    »Habt ihr hier einen Tempel oder jemanden, den ich wegen einer Übernachtungsgelegenheit fragen könnte?«, versuche ich es weiter. »Einen Polizisten oder Dorfvorsteher?«
    Der Mann legt sein Buch zur Seite und blickt mich ernst an. »Ich bin der Dorfvorsteher.«
    »Oh.« Mehr bringe ich nicht heraus.
    Er greift hinter sich und holt einen Schlüssel hervor.
    »Mein Haus ist rechts um die Ecke. Geh dorthin, ich bin ohnehin die ganze Nacht über im Laden.«
    Jetzt bin ich vollkommen sprachlos.
    Er drückt mir den Schlüssel in die Hand. »Im Hof sind ein Wasserhahn und eine Schüssel, dort kannst du dich waschen.«
    Wenig später gehe ich mit dem Schlüssel in der Hand durch ein Bauernhaus. Ich versuche, nichts schmutzig zu machen und auch nicht neugierig zu sein, doch vor einem großen Bilderrahmen bleibe ich stehen: Er enthält vergilbte Fotos von Menschen in Militäruniformen, von Gesichtern und Sehenswürdigkeiten, von Kindern, die ihre besten Kleider angezogen haben und tapfer in die Kamera lächeln. Auf einigen der Bilder ist auch der Dorfvorsteher zu sehen. Er blickt meist ernst. Ich stehe in seinem Wohnzimmer, allein, weder er noch seine Familie ist da, und ich habe sein Zuhause für mich allein, weil er es mir anvertraut hat, einem völlig Fremden.
    Als ich in der Stadt Zhangye ankomme, erblicke ich vor dem Trommelturm einen altbekannten Holzkarren. Eine kleine Gruppe Schaulustiger hat sich darum versammelt.
    »Lehrer Xie!«, rufe ich über die Straße, und sein Kopf erscheint. Er strahlt.
    Ein junges Paar spaziert vorbei, mein Blick bleibt an dem Mädchen hängen. Sie hat kastanienbraunes Haar, das ihr in prächtigen Locken um die Schultern fällt. Einen Moment zu lange schaue ich ihr in die Augen, dann mache ich hastig ihrem Begleiter ein Kompliment über seine schöne Freundin. Beide lachen, und als sie weitergehen, blicke ich dem Weiß ihres Kleides hinterher, bis Lehrer Xie mich ausschimpft.
    »Benimm dich«, droht er lachend mit dem Stumpf seines Zeigefingers, »du kleiner Schurke!«
    Und dann, während er in seinem Karren kramt und eine Wasserflasche hervorholt, wird mir mit einem Mal klar, was ich brauche, um die Wüsten zu durchqueren.
    »Lehrer Xie«, sage ich. »Geh du morgen erst mal allein weiter nach Westen, ich habe hier noch etwas zu erledigen.«
    Es dauert zwei Tage, bis ich jemanden finde, der einen Karren für mich anfertigen kann.
    Er heißt Herr Wang und betreibt eine Schweißerwerkstatt. Als ich ihm erzähle, dass ich ernsthaft überlegt habe, mir einen Rollstuhl zu kaufen, um damit mein Gepäck durch die Gobi zu schieben, lacht er, bis er sich den Bauch halten muss.
    Dann macht er mir einen Vorschlag: ein Gestell aus Stahlrohren, ein herausnehmbarer Kasten aus

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