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The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

Titel: The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Rehage
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setzt sich auf meinen Schoß. Der Weihrauchgeruch der Höhle vermischt sich mit dem Pfirsichduft ihres Haares. Ich weiß nicht, wohin mit meinen Händen, schließlich lege ich sie auf ihre Hüfte. Sie fängt an, mit meinem Hemdknopf zu spielen, und ich spüre meinen Herzschlag im Hals.
    »Mein Freund hat gesagt, ich soll es mit ihm und einem Bekannten von ihm zugleich machen«, sagt sie.
    Es braucht einen Moment, bis ich verstehe, was sie meint. »Und was hältst du davon?«
    Sie schüttelt mit einem schiefen Lächeln den Kopf. Dann macht sie vorsichtig meinen Hemdknopf auf, lässt ihre Finger über meine Brusthaare gleiten und macht ihn wieder zu. Ich betrachte den Bodhisattwa, er sieht sehr ernst aus.
    Sie greift nach ihrer Tasche und legt sie vor mich auf den Boden. Dann steht sie auf, geht zur Öffnung der Höhle, guckt hinaus und kommt langsam wieder zurück. Als sie sich zu mir herunterbeugt, umfangen mich für einen Moment ihre Locken, dann kniet sie sich langsam vor mich auf ihre Tasche, blickt mich an und legt die Hand auf meinen Gürtel.
    Auf der Rückfahrt nach Zhangye schläft Lilly mit ihrem Kopf auf meiner Schulter ein. Ich bringe sie zu ihrem Wohnblock, es ist ein hohes, graues Gebäude, sie umarmt mich müde, dann verschwindet sie in einem dunklen Eingang.
    Der Karren ist fertig. Herr Wang hat ihn mit weißer Folie beklebt, damit er sich in der Sonne nicht zu sehr aufheizt, und er hat mir noch einen Satz Reparaturwerkzeuge und ein Fahrradschloss mit hineingelegt. Als ich ihn bezahlt habe und wir einander zum Abschied die Hand schütteln, sagt er: »Ruf an, oder schick eine Postkarte, wenn du irgendwo angekommen bist!«
    Dann ziehe ich meinen weißen Karren durch die Straßen der Stadt zum Hotelparkplatz.
    »Morgen gehe ich los«, sage ich zu Juli, und ich versuche meine Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen. Ich rede ununterbrochen, erzähle ihr von meinem Ärger mit den Behörden, von dem Bau meines Karrens und von dem Essen in dieser Stadt.
    »Ich wünschte, in Zentralasien wäre ein Aufstand, dann würdest du dort nicht durchlaufen können und wärest schneller bei mir«, sagt sie leise, und es ist wie ein zarter Splitter aus Glas.
    Das war das letzte Mal, sage ich mir, bevor ich einschlafe.

TANZ MIT KABUTZE
    Meine Schritte fliegen, mein Körper ist leicht. Ich laufe durch grünes Land, der Karren rollt mit einem leisen Surren hinter mir her, es fühlt sich an wie ein Traum.
    Ich hätte schon viel früher auf die Idee kommen sollen, einen Karren mitzunehmen. In meinem Blog nenne ich ihn »Caboose«, das kann Kombüse bedeuten, aber auch Hintern. Doch für mich ist er die »Kabutze«, da steckt das Wort Butze drin, etwas, das man sich im Wald aus Stöcken und Zweigen baut, wenn man in der Grundschule ist und eine Bande hat.
    Das Beste an der Kabutze ist, dass sie nicht nur Gepäck und Wasser transportieren kann, sondern auch Unmengen von Melonen.
    Ich komme durch Sonnenblumen, ganze Felder davon.
    Seit ich die Kabutze habe, kann ich dreißig Kilometer am Tag schaffen oder noch mehr, und ich fühle mich selten müde, denn das Gewicht lastet nicht mehr auf meinen Schultern.
    Einmal mache ich in einem kleinen Dorf namens Nanhua Pause. Das Hotel ist im vierten Stock, und wenn ich aus meinem Fenster blicke, sehe ich in der Ferne die Bergspitzen in der Sonne funkeln. Die Hitze hat den Ort schläfrig gemacht, alles bewegt sich langsam und bedächtig. Ich verbringe die meiste Zeit in einem kleinen Imbiss, der einem Ehepaar aus Sichuan gehört. Sie bringen mir alberne Worte aus ihrem Dialekt bei, damit ich später Juli damit erheitern kann.
    Ich versuche, nicht daran zu denken, was passiert ist.
    Am nächsten Tag stehe ich in der sengenden Mittagshitze vor einem Kiosk und wühle in einer Tiefkühltruhe herum, als zwei Fahrradfahrer hinter mir anhalten. Sie haben riesige Satteltaschen, Karten und Trinkflaschen, und sie gucken erstaunt, als sie mich sehen, denn ich bin ein Ausländer wie sie selbst.
    Sie sind aus Polen, das finde ich schnell heraus, doch da wir keine gemeinsame Sprache haben, ist unser Gespräch zunächst nur stockend. Um uns herum kommt eine Gruppe von Einwohnern zusammen, um sich das merkwürdige Schauspiel unserer Laute und Gesten anzusehen.
    Als wir endlich die Karte zu Hilfe nehmen, verstehe ich langsam, Stück für Stück, was sie mir mitteilen wollen, und als ich endlich glaube, es ganz begriffen zu haben, wende ich mich mit erhobenen Händen an die

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