The Sign Bd. 1 Nur zu deiner Sicherheit
es bringt überhaupt nichts, sich aufzuregen und rumzujammern. Ich bin in dem Wissen aufgewachsen, dass man mir meine Familie jeden Moment wegnehmen könnte – oder mich ihnen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich mit dem Cliste Galad angefangen hab; so bleibe ich einigermaßen bei Vernunft. Limonade?«
Ich nahm die Dose entgegen. Ich hätte alles gegeben, wenn ich nur ansatzweise so ruhig sein könnte wie sie. Aber mir schien das ganz und gar unmöglich.
Wir setzten uns an den Küchentresen. Ich nippte durch einen Strohhalm an meinem Getränk.
»Wie geht’s deiner Großmutter?«, erkundigte sich Wei. »Sie hat sich doch keine Sorgen um dich gemacht, oder?«
»Nein, aber sie hatte weniger erfreuliche Nachrichten für mich. Erinnerst du dich an diesen Einbruch vor einer Woche? Grandma dachte ja erst, dass nichts fehlt. Sie dachte, die Einbrecher hätten nur nach Grandpas Schmerzmitteln gesucht. Doch gestern ist ihr aufgefallen, dass mein We LS -Vertrag verschwunden ist.«
»Die Agentur …«
»… hat keinerlei Belege dafür, dass Ginnie mich rausgekauft hat. Ed steckt hinter der Sache, so viel ist sicher. Er meinte, er würde schon dafür sorgen, dass ich für das We LS -Programm auserwählt werde; und er weiß, dass der Vertrag weg ist.« Dann erzählte ich ihr noch, dass ich Joan begegnet war. »Ihr muss was echt Schlimmes zugestoßen sein, und ich vermute, dass es was mit dem We LS -Training zu tun hat.«
»Wir müssen deinen Vertrag finden oder uns Geld besorgen, damit wir ihn zurückkaufen können«, meinte Wei. »Ich weiß da ein paar Dinge über We LS . Ich hab mal ein Gespräch zwischen Mom und Rosie belauscht. Und was ich dem entnehmen konnte, war, dass die Regierung We LS als Vorwand für Sexsklaverei benutzt.«
»Das verstehe ich nicht – jedes sechzehnjährige Mädchen darf doch dem Gesetz nach Sex haben. Warum sollten sie …«
»Du weißt doch, dass man für We LS nur auserwählt wird, wenn man Jungfrau ist? Die sind wertvoller für die. Und es wird noch schlimmer.«
Ich hatte eh schon einen Knoten im Magen.
»Das Training wird geleitet von Mitgliedern des Regierungsrats. Die bekommen die Jungfrauen. Und die von We LS sorgen dafür, dass die höherrangigen Regierungsvertreter ständig mit Frischfleisch versorgt werden.«
»Aber was geschieht mit den Mädchen, wenn die Regierung mit ihnen fertig ist?« Meine Stimme bebte, allerdings nicht so schlimm wie meine Eingeweide. »Was passiert mit all diesen Mädchen?«
»Sie stempeln sie als ›gebraucht‹ ab und schicken sie auf den Mars, als Ehefrauen für die Arbeiter in den Ocribundan-Minen.«
»Das ist doch nicht möglich«, stieß ich entsetzt hervor. »Das klingt ja genau wie in Aufstand auf dem Mars, nur dass das Fiktion ist. Normalerweise denken die Leute sich so krankes Zeug doch bloß aus, aber sie setzen es nicht in die Tat um.«
»1984 war zunächst auch nur ein Roman«, meinte Wei. »Und vor Jahrzehnten ist das alles wahr geworden.«
Sie hatte recht. Die verschmähte Frau und ähnliche Bücher waren verboten worden, nachdem die darin beschriebenen Zustände von der Gesellschaft als normal akzeptiert worden waren. Ich wusste von diesen Büchern nur wegen Ginnie. Und die vom B.O.S.S. haben dann ja alle ihre Bücher konfisziert. Der Regierungsrat würde doch nicht … Doch Weis Gesichtsausdruck gab mir Gewissheit, dass sie es doch tun würden. »Aber ich bin Joan doch hier auf der Erde begegnet – wie hätte sie denn hierher zurückkehren können?«
»Der Widerstand hat ein paar Kontaktpersonen auf der Trainingsstation. Sie schaffen es immer wieder, Mädchen heimlich da rauszuschleusen und zur Erde zurückzubringen. Die Mädchen auf dem Mars allerdings sind mit demselben Virus infiziert, das die Arbeiter in den Ocribundan-Minen davon abhält, zurückzukehren. Ich schätze, eine ganze Menge von diesen Mädchen begeht Selbstmord. Das ist zum Teil der Grund, weshalb die von We LS immer wieder ›gebrauchte‹ Mädchen dorthin schicken. Die Minenarbeiter verlangen danach. Und für die Mädchen, die heimlich zurückkommen, so wie Joan, ist die Gemeinschaft der Obdachlosen der einzig sichere Ort.«
»Und was ist mit den Mädchen, die in die Schulen kommen und einem von dem Programm vorschwärmen? Die absolvieren das Training doch auch und arbeiten hinterher als Model oder bekommen einen hochrangigen Job in den Medien.«
»Mom und Rosie sind auch noch nicht dahintergekommen. Es muss mehr als nur eine Trainingsstation geben, damit
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